Süddeutsche Zeitung

Beitrittsverhandlungen:Österreich blockiert Türkei-Erklärung der EU

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Ein Veto aus Österreich: Sebastian Kurz machte seine Drohung wahr und blockierte eine gemeinsame Erklärung der EU-Außenminister in Brüssel zu den Beitrittsverhandlungen der Türkei. Der österreichische Außenminister hatte gefordert, die EU-Beitrittsgespräche wegen des Vorgehens türkischer Behörden gegen Oppositionspolitiker und Medien einzufrieren. Dies fand aber keine Mehrheit unter den anderen Staaten.

Vielmehr einigten die Außenpolitiker sich darauf, dass unter den jetzigen Umständen keine neuen Verhandlungskapitel eröffnet werden. Damit wurde erstmals offiziell festgehalten, dass die Verhandlungen angesichts der aktuellen Verhältnisse in der Türkei nicht weiter ausgeweitet werden. Diese Erklärung wurde von allen EU-Staaten mitgetragen - außer von Österreich, dem das nicht weit genug ging. Österreichs Außenminister Kurz sagte, sein Land fordere nur das, was auch das Europäische Parlament verlange. "Es geht überhaupt nicht darum, Türen zuzuschlagen oder nicht mehr im Gespräch zu bleiben", sagte Kurz. Es gehe darum, ein politisches Signal zu setzen und der Türkei nicht weiter vorzugaukeln, dass der Beitritt in die EU bald möglich sei. Das Argument, durch die Beitrittsverhandlungen könne die EU die Entwicklung in der Türkei positiv beeinflussen, hält Kurz nach den Entwicklungen der vergangenen Monate für widerlegt. "Die Türkei hat sich kontinuierlich immer weiter weg von der Europäischen Union entwickelt", sagte er.

Die EU-Kommission hält den Streit für überflüssig

An der harten Haltung Österreichs gab es Kritik. "Ein Land war nicht in der Lage, einen Kompromiss zu akzeptieren, dem alle anderen Staaten zustimmen konnten", sagte der slowakische Außenminister Miroslav Lajčák. "Wir haben nach Kräften versucht, Österreich aus der Isolation herauszubringen", erklärte der deutsche Europa-Staatsminister Michael Roth. Es sei "sehr enttäuschend", dass dies misslungen sei.

EU-Staaten wie Deutschland befürchten, dass der Schaden größer sein könnte als der Nutzen - auch wegen der Absprachen mit der Türkei zur Flüchtlingskrise. Staatsminister Roth erklärte, nach den jüngsten Terroranschlägen müsse es darum gehen, ein klares Zeichen der Solidarität mit dem türkischen Volk zu setzen. Auch wenn es in der Türkei in Bereichen wie Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit eher Rückschritte als Fortschritte gebe, dürften die Gespräche nicht auf Eis gelegt werden. Es liege vor allem auch in den Händen des türkischen Präsidenten Erdoğan zu entscheiden, wie er sich den weiteren Weg in die EU vorstelle.

Auch die EU-Kommission hält den Streit über ein mögliches Einfrieren der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei für überflüssig. "Wir haben seit dem versuchten Staatsstreich keine wirklichen Beitrittsverhandlungen. Und ich sehe das auch nicht in den nächsten Monaten", sagte der zuständige österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn am Rande der Verhandlungen in Brüssel. Aus seiner Sicht sei die ganze Debatte deswegen "artifiziell".

Bei dem Treffen ging es um eine Erklärung zur Erweiterungsfrage der EU, die sich auch auf andere Staaten bezogen hätte. Diese sogenannten Ratsschlussfolgerungen hätten einstimmig verabschiedet werden müssen. Der slowakische EU-Ratsvorsitz bedauerte die Blockade, das Thema steht nun beim EU-Gipfel am Donnerstag offiziell nicht auf der Agenda.

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