Süddeutsche Zeitung

USA:Für Trumps Helfer wird es eng

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Steve Bannon, Chefideologe des früheren US-Präsidenten, muss sich vor Gericht verantworten. Der Ausschuss, der den 6. Januar aufarbeiten soll, könnte in die Verlängerung gehen.

Von Fabian Fellmann, Washington

Um originelle Drohungen ist Steve Bannon nie verlegen. Er werde wie ein Wilder über seine Feinde herfallen, wie im Mittelalter, hatte er noch am Sonntag auf seinem Podcast "War Room" versprochen. Als er am nächsten Morgen vor einem Bundesrichter in der Hauptstadt Washington antraben musste, war davon nicht mehr viel zu bemerken. Selbst seinen sonst mittelalterlich wilden Haarschopf hatte Bannon am Montag mit einem Kamm gezähmt und sein Gesicht frisch rasiert. Es war ein ungewohnt zivilisierter Auftritt von Trumps früherem Chefideologen. Sogar ein schwarzes Sakko trug er ausnahmsweise, wobei er selbst bei schwülen 33 Grad seiner Gewohnheit treu blieb, zwei dunkle Hemden und ein T-Shirt übereinander anzuziehen.

Lammfromm und komplett stumm saß Bannon also im Gerichtssaal, in dem Bundesrichter Carl Nichols, die Anklage und Bannons Verteidigung um die Auswahl der Juroren rangen. Aus 60 Hauptstädtern wählten sie 12 aus, die nun die Jury bilden werden im Strafprozess "United States v Steve Bannon". Sie wird in den nächsten Tagen über Bannons Schuld und Bestrafung befinden, der Termin der Urteilsverkündung ist noch nicht bekannt. Dem 68-Jährigen droht ein Jahr Gefängnis, weil er einer Vorladung des Kongresses nicht nachgekommen ist. Vorgeladen hatte ihn der Ausschuss, der die Ereignisse des 6. Januar 2021 untersucht, jenes Tages, an dem ein bisweilen mittelalterlich anmutender Mob das US-Kapitol gestürmt hatte.

Eine ganze Reihe möglicher Juroren wurden vom Richter ausgeschlossen, weil sie sich ihren eigenen Angaben zufolge längst ein Urteil über Bannons Rolle an jenem 6. Januar gebildet hatten. Sie seien von dessen Schuld überzeugt und glaubten nicht, dass er unter Eid die Wahrheit sagen würde. Bannon nahm solche Aussagen regungslos hin. Nur ab und zu setzte er sich eine Brille auf, um eine Kandidatin genauer zu betrachten. Er weiß genau, dass er weitherum verhasst ist, doch schien ihn das bisher kaum zu stören. Hauptsache, die Leute nehmen ihn zur Kenntnis. Umso unerwarteter waren da die Angaben mehrerer Juroren, noch nie von Bannon oder den Untersuchungen zum 6. Januar gehört zu haben - für den Pandemieleugner möglicherweise die noch schlimmere Strafe als die Hygienemaske, die er während des ganzen Prozesstages tragen musste.

Der Secret Service hat Textnachrichten vom 6. Januar offenbar einfach gelöscht

Die letzten Amerikaner, welche die Untersuchungen zum 6. Januar noch nicht zur Kenntnis genommen haben, sollen das spätestens am Donnerstag tun. Zur besten Fernsehzeit um 20 Uhr - zumindest an der Ostküste - wird der Ausschuss des Repräsentantenhauses dann seine vorläufig letzte Anhörung zum Sturm auf das US-Kapitol abhalten. Konzentrieren wird er sich laut seiner Vizepräsidentin Liz Cheney auf den Nachmittag jenes Tages, an dem Donald Trump im Weißen Haus saß, schäumend vor Wut, weil ihn der Secret Service nicht ebenfalls zum Kapitol gefahren hatte.

Das Vordringen des Mob verfolgte Trump im Fernsehen, und obwohl ihn verschiedene Mitarbeiter anflehten, etwas gegen die Gewalt zu unternehmen, blieb Trump tatenlos. Vizepräsident Mike Pence musste sich im Kapitol in einen sicheren Raum begeben, weil Trumps Anhänger ihn hängen wollten. Trotzdem rief er die Minister für Verteidigung und Homeland Security sowie die Geheimdienste an - der Präsident hingegen blieb untätig, ließ nicht nur den Mob gewähren, sondern machte auch keine Anstalten, die Sicherheitskräfte aufzubieten.

Inzwischen ist nicht mehr sicher, ob die Anhörung vom Donnerstag wirklich die letzte bleibt. Ständig flössen dem Ausschuss neue Informationen zu, sagte etwa der Abgeordnete Adam Kinzinger diese Woche. Am Dienstag zum Beispiel erwartete der Ausschuss eine Reihe neuer Informationen aus dem Secret Service, der für den Schutz des Präsidenten und des Vizepräsidenten zuständig ist. Von dem Dienst haben die Parlamentarier Aufnahmen von Funksprüchen und interner Kommunikation verlangt. Doch vergangene Woche warnte ein Aufsichtsorgan, der Secret Service habe Textnachrichten vom 6. Januar einfach gelöscht, weil die Agenten neue Mobiltelefone erhielten - was eine lückenlose Aufklärung der Vorkommnisse verunmöglichen könnte.

Die Nachrichten könnten zum Beispiel Hinweise darauf geben, was am Nachmittag des 6. Januar im Präsidentenfahrzeug geschah - ob die Darstellung stimmt, Trump habe dem Fahrer ins Lenkrad gefasst und einem zweiten Agenten an die Gurgel gewollt. Der Secret Service macht geltend, die Agenten dürften dienstlich gar nicht per Textnachricht kommunizieren, eine Beteuerung, welche der Ausschuss bisher nicht akzeptiert hat. "Es ist verrückt, dass der Secret Service irgendetwas löschen könnte über einen der beschämendsten Tage in der amerikanischen Geschichte", sagte Kinzinger am Sonntag zu CBS.

Gut möglich also, dass doch noch weitere Anhörungen folgen werden. Für September hat der Ausschuss einen vorläufigen Abschlussbericht angekündigt, rechtzeitig vor den Zwischenwahlen. Erst im Winter dürfte dann ein umfassender Bericht vorliegen.

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