Süddeutsche Zeitung

Kriminalität:Das Ende des Banküberfalls

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Die Zeiten von "Hände hoch" sind vorbei: Kriminelle sprengen jetzt lieber Geldautomaten. In einem Nachbarland Deutschlands registrieren die Behörden gar keine Banküberfälle mehr.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Der kriminelle Berufsstand des Bankräubers genießt in der Öffentlichkeit eine Sonderstellung. Das könnte daran liegen, dass manche Menschen wenig Mitleid empfinden, wenn reiche Banken - zugegebenermaßen unter Zwang - etwas Geld abgeben müssen. Der deutsche Dichter Bertolt Brecht brachte es im Theaterstück "Die Dreigroschenoper" auf den Punkt: "Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?"

Rücksichtslose Pistoleros in den USA hatten ihren Brecht schon viel früher gelernt. Bereits im 19. Jahrhundert überfielen sie in den Weiten des Wilden Westens Postkutschen und knackten Banktresore in den Großstädten. Im Deutschland der Zwanzigerjahre rückten die Brüder Franz und Erich Sass dem Banktresor als erste ihrer Zunft mit dem Schneidbrenner zu Leibe. Die Filmindustrie zauberte aus den "Bonnie und Clyde"-Geschichten der vergangenen 150 Jahre mitunter eine Hommage an die Täter. Die deutsche Verfilmung des millionenschweren Postraubes in Großbritannien 1963 trug den nachsichtigen Titel: "Die Gentlemen bitten zur Kasse".

2021 gab es 28 Banküberfälle in Deutschland

Auch die Kriminalität ist den Zeitläuften unterworfen. Die Anzahl der traditionellen Banküberfälle in Deutschland ist seit 2012 um fast 90 Prozent gesunken, und zwar von 202 auf 28 Fälle im Jahr 2021. Doch nur die Methoden sind anders, denn gleichzeitig haben sich die Geldautomatensprengungen hierzulande auf 392 Fälle fast verzehnfacht, so Daten der Beratungsfirma Barkow Consulting.

Der Trend für Deutschland ist eindeutig, im Nachbarland Dänemark registrierten die Behörden zuletzt überhaupt keine Banküberfälle mehr. Ein Grund: Es gibt in beiden Staaten immer weniger Filialen, die man überfallen könnte. In Deutschland sank die Zahl der Niederlassungen seit 1995 von rund 70 000 auf nun 21 000, meldet die Bundesbank. Die fortschreitende Digitalisierung und der Kostendruck verändern die Bankenlandschaft grundlegend, nachdem der Sektor in den Sechziger- und Siebzigerjahren sein Filialnetz bundesweit stark verdichtet hatte.

Die Schutzvorkehrungen waren rückblickend miserabel. Es fehlte Panzerglas am Schalter. Manchmal arbeitete in der Niederlassung nur eine Person. Kriminalisten sprachen damals vom "Volkssport Bankraub", weil auch unerfahrene Einzeltäter mit stümperhaften Überfällen "ihr Glück" versuchten. Hinzu kamen die politisch motivierten Raubzüge der RAF-Terroristen. Nach der Wende konzentrierten sich die Bankräuber auf die besonders schlecht gesicherten Filialen in der ehemaligen DDR.

Die Menschen, die sich gerne auf die Brecht'sche Rechtfertigung für einen Banküberfall berufen, unterschlagen seit jeher das Schicksal der Schalterangestellten. Sie müssen um ihr Leben fürchten, wenn Vermummte mit Waffen im Anschlag ins Gebäude stürmen. Wagemutige Tunnelbauten direkt in die Bank, um dort die Tresore zu knacken - dieser Methode könnte man vielleicht noch den Respekt zollen, der einer tumben Sprengung von Geldautomaten völlig abgeht. Durch den Einsatz fester Sprengstoffe gefährdeten die Kriminellen Menschenleben, warnt das Bundeskriminalamt. Es gebe ein erhöhtes Risiko für Unbeteiligte, weil die Täter oft nicht in der Lage seien, die Sprengstoffe vollständig zu kontrollieren.

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