Süddeutsche Zeitung

USA und China:"Wie U-Boote in den Tiefen des Ozeans"

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Moderne Beobachtungs- und Kommunikationstechnik, Propeller und ein Ruder: Das Pentagon veröffentlicht Erkenntnisse über den chinesischen Ballon.

Von Peter Burghardt, Washington

Jetzt wird immer mehr bekannt über diese Spionageballons aus China, von denen bis zur vergangenen Woche weltweit kaum die Rede gewesen war. Vor der Küste von South Carolina fischen Taucher der US-Marine alles aus dem Wasser, was zu dem dort am Samstag abgeschossenen Luftschiff gehört. Experten setzen den Stoff und die Trümmerteile zusammen, um herauszufinden, wie dieses gut 60 Meter hohe Fluggerät konstruiert war und welche Instrumente sich an Bord befanden. "Wir haben eine Menge über diese Überwachungsballons gelernt", sagt der Pentagon-Sprecher Brigadegeneral Pat Ryder.

Auf einmal befassen sich nicht nur in den USA höchste militärische Kreise mit diesem Phänomen. Plötzlich wird öffentlich, dass diese Spione des Himmels schon längst über für China interessanten Orten auf der ganzen Welt schweben, offenbar bevorzugt über Militäreinrichtungen. In den vergangenen Jahren seien diese chinesischen Ballons auch über Lateinamerika, Südostasien, Ostasien und Europa gesehen worden, so Ryder. Man betrachte dies als Teil eines größeren chinesischen Spionageprogramms.

US-Außenminister Tony Blinken berichtet, die USA hätten ihre Erkenntnisse in Washington und über ihre Botschaften mit Dutzenden Ländern geteilt. "Wir tun dies, weil die Vereinigten Staaten nicht das einzige Ziel dieses breiteren Programms waren, das die Souveränität von Ländern auf fünf Kontinenten verletzt hat", berichtete Blinken. Seine Reise nach China hatte er wegen des Ballons abgesagt, nun war Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Washington zu Gast.

Auch Blinken verweist auf den Lerneffekt, "wir erhalten fast stündlich neue Informationen". China habe in den vergangenen Jahren stark in seine militärischen Fähigkeiten investiert, darunter in Überwachung und Aufklärung, sagte Stoltenberg. "Sie nutzen Satelliten, sie nutzen Cyber, und wie wir über den Vereinigten Staaten gesehen haben, auch Ballons."

Als Basis der Ballon-Flotte gilt die chinesische Insel Hainan

Die Chinesen hätten "eine unglaublich alte Technologie mit modernen Kommunikations- und Beobachtungsmöglichkeiten kombiniert", erklärte ein US-Offizieller der Washington Post. Solche Ballons seien demnach "mit elektrooptischen Sensoren oder Digitalkameras ausgestattet, die je nach Auflösung hochpräzise Bilder einfangen können", außerdem könnten sie Funksignale übertragen.

Die Hinweise widersprechen Chinas Behauptung, es habe sich um einen Wetterballon gehandelt, der von der Route abgekommen sei. Wäre es um zivile Zwecke gegangen, dann hätte Peking frühzeitig informiert, sagte Ryder. Die Meldungen über die ausgefeilte Technik passen allerdings auch nicht zu den ersten amerikanischen Beschwichtigungen, wonach mit so einem Ballon nicht mehr zu hören und sehen wäre als mit den üblichen Satelliten. So ein Ballon kann sich deutlich länger und näher über einem Ziel aufhalten als ein Satellit. Er soll mit Propellern und einem Ruder versehen sein und sich "wie ein Segelboot" drehen können, erläutert laut CNN ein US-Beamter, bewege er sich jedoch größtenteils mit dem Jetstream.

Als eine Basis dieser Flotte gilt die südchinesische Insel Hainan. Die New York Times zitiert aus einem Artikel von Chinas Armee von 2021, wonach Ballons "ein leistungsfähiges Auge am Himmel für die Überwachung von Tiefflug- und Oberflächenteppichen" seien. "In der Zukunft werden Ballonplattformen vielleicht, wie U-Boote in den Tiefen des Ozeans, zu einem abschreckenden versteckten Killer." Inzwischen heißt es in den USA, dass im Juni 2022 über Hawaii ein chinesischer Ballon abgestürzt sei.

Umso mehr fragen sich die Amerikaner, wieso dieser Ballon so lange fliegen durfte, unter anderem über Montana, wo Silos mit Atomraketen stehen. Offenbar wurde das Flugobjekt schon entdeckt, ehe es am 28. Januar über Alaska den US-Luftraum erreichte. Am 1. Februar soll Präsident Joe Biden den Befehl zum Abschuss gegeben haben, sobald sicheres Gebiet erreicht sei. Den späten Schuss rechtfertigt das Verteidigungsministerium damit, dass am Boden niemand in Gefahr gebracht werden sollte, dass so die Flugbahn beobachtet werden und im Wasser Material gesichert werden konnte. Während der Trump-Regierung wurden mehrere dieser Flüge gar nicht erkannt, gibt ein führender Militärvertreter zu. "Und das ist eine Lücke, die wir schließen müssen."

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