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Baden-Württemberg:Merkel in Baden-Württemberg: Retten, was zu retten ist

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CDU-Spitzenkandidat Wolf hat nur noch eine Woche, um ein Debakel bei der Landtagswahl zu vermeiden. Also kommt die Kanzlerin - doch eine Hilfe ist sie nicht.

Von Josef Kelnberger, Ettlingen

Keine 24 Stunden und nur zehn Kilometer lagen zwischen zwei Veranstaltungen, die Bände sprechen über den kuriosen Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg. Am Donnerstagabend sonnten sich der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Joschka Fischer bei einem gemeinsamen Auftritt in Karlsruhe im Glanz der Umfragen. Sie rühmten Angela Merkel für ihre Flüchtlingspolitik. Am Freitagnachmittag kam dann die Kanzlerin nach Ettlingen, um ihren Parteifreunden Mut zuzusprechen angesichts eben dieser Umfragen: Die CDU liegt eine Woche vor der Landtagswahl eindeutig hinter den Grünen.

Ein politisches Beben kündigt sich an. Geplant war in Ettlingen ein Jubelparteitag, nun wurde es eine Veranstaltung zur Selbstermutigung. Von einem "Stahlbad" sprach Spitzenkandidat Guido Wolf und sagte mit besonders viel Timbre: "Jetzt erst recht!" Auch Merkel klatschte Beifall. Ihre eigene Rede trug Züge eines Motivationsseminars: "Nur der, der selbst von sich überzeugt ist, kann andere überzeugen. Zeigen Sie, was in Ihnen steckt!"

Soforthilfe für Wolf hatte sie nicht im Programm. Zwar wurde ein Wahlaufruf beschlossen, doch eine scharfe Distanzierung von Kretschmann blieb aus - abgesehen von dem allgemeinen Satz: "Fünf Jahre haben offensichtlich nicht gereicht, dieses Land zu ruinieren". Auch annoncierte Merkel keine schnelle Wende in der Flüchtlingspolitik. Laut Forschungsgruppe Wahlen liegt die CDU zwei Prozentpunkte hinter den Grünen, laut Infratest-Dimap sogar vier. Und das, obwohl die CDU über fast 70 000 Mitglieder verfügt, bestens vernetzt ist in Kommunen, Verbänden und Vereinen. Außerdem hat sie das größte Wahlkampfbudget. Eine Woche bleibt noch Zeit, um vom Ruf der "natürlichen Regierungspartei" zu retten, was zu retten ist.

Die einst so stolze CDU Baden-Württembergs bei 30 Prozent, das ist ein atemberaubender Niedergang. Schon mit ihren 39 Prozent bei der letzten Wahl lotete sie historische Tiefen aus. Nach dem Abschied von Stefan Mappus schien sie sich schnell zu erholen, verbuchte unter Führung von Thomas Strobl bei der Bundestagswahl das beste Ergebnis aller CDU-Landesverbände. Unter dem Spitzenkandidaten Wolf, Sieger einer internen Vorwahl über Strobl, ging es rapide bergab. Sollte die Wahl ausgehen, wie es die Umfragen andeuten, wird er wohl als Sündenbock herhalten müssen - auch für Fehler, die er nicht zu verantworten hat.

Zwei Drittel der Wähler sind laut Umfragen zufrieden mit Grün-Rot

Allen in der Partei ist mittlerweile klar: Die Landtagsfraktion hat es versäumt, in der Opposition thematische Arbeit zu betreiben. Man suchte an allen Fronten die Totalkonfrontation mit Grün-Rot. Doch der prophezeite Untergang ist ausgeblieben, die Wirtschaft boomte, Kretschmann stieg zum Landesvater auf. Zwei Drittel der Wähler sind laut Umfragen zufrieden mit Grün-Rot. Wolf wetterte in Ettlingen wieder gegen die Gemeinschaftsschulen, kündigte an, mehr Straßen zu bauen, mehr Polizisten einzustellen. Aber eine Wechselstimmung hat er mit diesen Themen nicht erzeugen können.

Anfang 2015 wechselte Wolf vom Amt des Landtagspräsidenten in den Fraktionsvorsitz, doch schon sein Einstieg missriet: Er ließ zu, dass die CDU wieder einen Mann zum Landtagspräsidenten wählte, obwohl Einvernehmen zu herrschen schien, dass erstmals eine Frau zum Zug kommen sollte. Seither haftet Wolf der Ruf an, er stehe für die alte CDU. Er gilt als gewiefter Taktierer, aber nicht als Stratege. Den Schulterschluss Kretschmanns mit Merkel ließ er zu, indem er sich in der Flüchtlingskrise "zwischen Merkel und Seehofer" positionierte. Von dem Fehler hat sich seine Kampagne nicht erholt.

Völlig offen ist nach den Umfragen, welche Koalitionen nach der Wahl möglich sein werden. Wolf wird wohl versuchen, ein Bündnis mit SPD und FDP zu schmieden. Er schloss am Freitag aus, dass die CDU den Juniorpartner Kretschmanns geben wird.

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Quelle:
SZ vom 05.03.2016
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