Süddeutsche Zeitung

Ausweitung der Pflegezeit:"Eine gefährliche Falle"

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Mit ihrem Vorschlag, die Pflegezeit auf zwei Jahre zu erhöhen, erntet Familienministerin Schröder harsche Kritik von Sozialverbänden, Opposition und Wirtschaft. Die Ministerin gibt sich unbeirrt.

Der Plan von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) zur Ausweitung der Pflegezeit auf zwei Jahre stößt bei Sozialverbänden, Wirtschaft und Opposition weiterhin auf Kritik. "Die finanzielle Absicherung der pflegenden Angehörigen ist nicht gewährleistet, wenn sie auf 25 Prozent ihres Lohns verzichten sollen", sagte die Präsidentin des Sozialverbandes Deutschland, Ulrike Mascher, der Rheinischen Post. Pflegende Angehörige seien aber zumeist Frauen in schlecht bezahlten Jobs, so Mascher. "Der Vorschlag geht nicht weit genug."

Pflegekritiker Claus Fussek sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, die Pläne seien nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. "Das Gros der Angehörigen hat davon überhaupt nichts." Der weit überwiegende Teil der pflegenden Angehörigen habe gar keine Zeit, noch eine andere Tätigkeit auszuüben. "Vielfach müssen die Angehörigen 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche und damit 30 oder 31 Tage im Monat ihre Liebsten pflegen", sagte Fussek.

Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bezeichnete Schröders Vorstoß als ein Modell vergangener Gesellschaften. "Was die Menschen brauchen, ist eine dreimonatige Auszeit mit Lohnersatzleistung, um die Pflege eines Angehörigen zu organisieren und qualitativ hochwertige Pflegestützpunkte, die alle notwendigen Dienstleistungen anbieten", forderte sie in den Ruhr Nachrichten.

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karl Lauterbach, bezeichnete den Schröder-Plan als "gefährliche Falle für Frauen, weil sie damit aus dem Beruf gelockt werden". Er sagte der Neuen Presse, die Gefahr sei groß, dass Frauen nach der Pflegezeit lieber ganz aus dem Beruf aussteigen.

"Zurück an den Herd"

Schröders Konzept entspreche einem überholten Familienbild. "Das ist wie bei vielen Vorschlägen der CDU: Am Ende sollen die Frauen zurück an den Herd gelockt werden." Die SPD habe vorgeschlagen, die Pflegesätze für die ambulante Betreuung daheim deutlich zu erhöhen. "Das wäre eine sinnvolle und ganz einfache Maßnahme." Die Union sei jedoch dagegen.

Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Achim Dercks, sagte der Berliner Zeitung, dass bei diesem gesamtgesellschaftlichen Thema die finanziellen Risiken nicht einseitig beim jeweiligen Betrieb abgeladen werden dürften. Statt eine staatliche Einheitslösung festzuschreiben, sollten gute Arbeitszeitmodelle aus der Praxis bekannter gemacht werden. Zudem sei eine Professionalisierung der Pflegeangebote notwendig.

Die Familienministerin verteidigte unterdessen im ARD-Morgenmagazin ihr Pflegezeit-Modell. Sie sagte, ihr Haus rechne gerade ein Versicherungsmodell durch, das Risiken ihres Modells für die Unternehmen abfedern soll.

Das Gehalt später wieder "reinholen"

Zu den Vorwürfen, ihr Pflegemodell koste die Unternehmen zu viel, sagte Schröder: "Der Faktor Arbeit wird nicht wirklich verteuert." Von den Arbeitgebern werde nicht verlangt, dass sie mehr Geld zahlen müssten. Das Gehalt werde später wieder "reingeholt". Wer zwei Jahre wegen der Pflege von Angehörigen nur halbtags arbeitet, soll nach Schröders Vorstellung zunächst 75 Prozent seines Gehaltes weiter bekommen. Anschließend sollen die Arbeitnehmer wieder voll in den Beruf einsteigen. Allerdings bekommen sie weiterhin nur 75 Prozent des Gehalts ausgezahlt und zwar so lange, bis das Gehalts- und Arbeitszeitkonto wieder ausgeglichen ist.

Schröder räumte allerdings ein, dass für die Unternehmen ein Risiko bestehe: "Was machen wir, wenn die Mitarbeiter doch nicht nach der Pflegezeit zurückkehren?" Diesen Fall lasse sie gerade als Versicherungsmodell durchrechnen. "Wir brauchen auf freiwilliger Basis die Möglichkeit, dass man sich gegen dieses Risiko absichert", sagte die Ministerin. Nach ihren Angaben müsste der Arbeitgeber die Versicherungspolice übernehmen.

"Da man aber davon ausgehen kann, dass die meisten Arbeitnehmer zurückkehren, wäre das im vertretbaren Rahmen." Die Ministerin kündigte an, in Modellprojekten kurzfristig ihr Pflegeteilzeitmodell zu testen. "Danach werde ich möglichst schnell einen Gesetzentwurf vorlegen", sagte sie.

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