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Aufregung um Italiens Ex-Premier:Berlusconi überrascht mit Comeback-Vorstoß

Lesezeit: 3 min

Ernsthafter Vorschlag oder Show? Unerwartet betritt Italiens Ex-Premier Berlusconi wieder die politische Bühne. Ganz in der Pose des Staatsmannes dient er sich als Retter seiner Partei an - und als künftiger Staatspräsident. Jetzt spekuliert Italien darüber, was das wieder zu bedeuten hat.

Andrea Bachstein, Rom

War das wirklich ein Comeback-Versuch, ein ernsthafter Vorschlag, den Silvio Berlusconi am Freitagmittag präsentiert hat - oder nur einer seiner Show-Tricks? Diese Frage stellen sich jetzt viele Italiener.

Eine Verzweiflungstat war es mit Sicherheit.

"Wenn meine Partei PDL es will", werde er sich der Verantwortung stellen und kandidieren, verkündete Italiens 75-jähriger Ex-Premier. Diese Möglichkeit hatte er mehrmals ausgeschlossen, und die meisten hatten ihn für ein Staatsamt abgeschrieben.

Doch vier Tage nach dem für die PDL verheerenden Ausgang der Kommunalwahlen, hat Parteichef Berlusconi nach langer Pause wieder eine große Bühne gesucht.

Mit seinem Generalsekretär Angelino Alfano hat er das nach ihren Worten "wichtigste politische Projekt der letzten Jahrzehnte" vorgestellt, "den Beginn der dritten Republik": Italien soll dem französischen Modell folgen und eine Semi-Präsidentialdemokratie werden - "weil wir lieber wie Paris sein wollen als wie Athen".

Der Staatspräsident soll mit exekutiver Macht ausgestattet und direkt vom Volk gewählt werden. Dafür also stünde Silvio Berlusconi bereit - wenn man ihn denn bitten würde. Und wenn es je zu einer so weitreichenden Verfassungsänderung kommen würde.

Zuerst angespannt, dann in gewohnt staatsmännischer Pose

Diesem Auftritt Berlusconis, anfangs angespannt, dann ganz in Pose des Staatsmanns und im topseriösen Ambiente des römischen Senatspalastes, ist nicht nur das PDL-Desaster der Kommunalwahlen vorausgegangen. Der Wählerschwund hatte sich in Umfragen schon seit Monaten in sinkenden Vertrauenswerten für die PDL angekündigt. In der Partei sind Rat- und Richtungslosigkeit, ja Chaos gewachsen.

In spätestens zehn Monaten sind Parlamentswahlen, und die ganze PDL ist nach Berlusconis Rücktritt im November kurz davor, zu implodieren und sich zu spalten. Zwar ist die Partei weiter stärkste Fraktion in Abgeordnetenhaus und Senat, doch bildet das nicht mehr die aktuelle Stimmung im Land ab. Die wendet sich erstens einer Mehrheit von Mitte-Links zu, und zweitens weg von den etablierten Parteien, wie der Wahlerfolg der Protestbewegung "5 stelle" (Fünf Sterne) zeigt.

Alles hat Berlusconi in Erwägung gezogen, um das Zerbröseln des um ihn konstruierten Wahlvereins aufzuhalten. Angefangen hat er mit der Suche nach neuen, dringend benötigen Partnern. Die Lega Nord ist von Bord gegangen und nun durch Skandale und Misserfolg auch unbrauchbar. Doch die Parteien der bürgerlichen Mitte haben die Annäherungsversuche der PDL bislang nicht erwidert.

Einfluss im Parlament will Berlusconi schon aus persönlichen Interessen behalten. Ziemlich deutlich zeigt sich das in diesen Tagen. Die PDL leistete erbittert Widerstand gegen Entwürfe für ein Anti-Korruptionsgesetz, gegen die Wiedereinführung eines Bilanzfälschungsdelikts. Berlusconi hatte es einst abgeschafft, um solche Vorgänge in seinem Konzern straffrei zu halten.

Zu den verzweifelten Versuchen von Berlusconi gehört, die Partei wieder einmal umzunennen, umzuorganisieren, oder überhaupt nicht mehr als Partei, sondern nur mit Bürgerlisten anzutreten. Seinen designierten Nachfolger Alfano wollte er schon wieder absetzen, und nach der Kommunalwahl soll er gar die gesamte PDL-Führungsriege zum Rücktritt aufgefordert haben. Doch als hätte es all diesen erbitterten Krach und die Krisentreffen in Berlusconis Wohnung im Palazzo Grazioli nie gegeben, ist Berlusconi nun harmonisch mit Alfano und den Präsidialrepublik-Plänen angetreten.

Und hat dabei gezeigt, dass er immer noch äußerst wendig ist mit seinen Überzeugungen und schnell lernt vom Erfolg der Bewegung "5 stelle". Die Bürger sollen mehr Teilhabe bekommen, erklärten der PDL-Chef und sein Generalsekretär. Politik solle nicht in Hinterzimmern gemacht werden, Bürgerlisten könne man sich vorstellen und Vorwahlen für den Präsidenten.

Das klingt schön. Nur ob die Bürger ausgerechnet ihnen das abnehmen, ist eine andere Frage. Die Ankündigungen sind schlichtweg das Gegenteil dessen, was Berlusconi und seine PDL viele Jahre praktiziert haben. Auch die Idee der Präsidialdemokratie ist nicht neu, sie wird seit drei Jahrzehnten in Italien immer wieder diskutiert. 1998 verhinderte aber Berlusconi selbst Reformen in diese Richtung.

Die Parteien sind skeptisch

Der Moment für solche Verfassungsänderungen sei besonders günstig, argumentiert er nun. Die Legislaturperiode sei absehbar, im Frühjahr muss auch ein neuer Präsident gewählt werden, der Dialog mit anderen Parteien sei im Gang. Das stimmt alles, und die Änderung zum französischen Modell könnte vielleicht Vorteile haben. Nur ist klar, dass schon wegen der parlamentarischen Verfahren die maximal zehn Monate bis zur nächsten Parlamentswahl kaum reichen, um die Verfassung so weitgehend umzuschreiben.

Nicht unwahrscheinlich daher der Verdacht, dass Berlusconi vor allem einmal wieder zur Strategie eines Ablenkungsmanövers gegriffen hat. Dass er mit "dem wichtigsten Projekt" vor allem Diskussionen anzetteln will, die den parlamentarischen Fortgang von Verfassungsreformen übertönen und ausbremsen sollen, die seiner Partei ungelegen sind. Die Änderung des Wahlrechts zum Beispiel oder die Reduzierung der Parlamentarierzahlen.

Die anderen Parteien reagierten jedenfalls ziemlich skeptisch auf den Überraschungscoup der PDL. Aufmerksamkeit garantiert dieser Versuch eines abrupten Imagewandels der PDL-Truppe aber auf jeden Fall, die zuletzt fast nur noch mit für sie negativen Nachrichten aufgefallen war.

Unwahrscheinlich aber, dass Silvio Berlusconi jetzt seinem alten Traum wieder näher ist, Staatspräsident zu werden. Den haben seine Skandale eigentlich endgültig vernichtet.

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Quelle:
SZ vom 26./27./28.05.2012
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