Süddeutsche Zeitung

Atomstreit:Nordkoreanische Dauerdiplomatie

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Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkorea, ausgerechnet Nordkorea. Das Land, das bis vor kurzem so isoliert war, dass es Eremiten-Königreich genannt wurde, verhandelte am Donnerstag gleichzeitig in New York, Singapur, Pjöngjang und Panmunjom. In New York und im Waffenstillstandsdorf Panmunjom versuchten Vertreter aus Washington mit den Nordkoreanern, den eigentlich abgesagten, Gipfel zwischen Donald Trump und Kim Jong-un, dem "Vorsitzenden der Kommission für Staatsgeschäfte", wie er jetzt genannt wird, so vorzubereiten, dass er zum Erfolg zu werden verspricht.

Trump sagte am Donnerstag, Pompeo habe "sehr gute Meetings" mit dem nordkoreanischen Unterhändler Kim Yong-chol gehabt. Er erwarte diesen am Freitag sogar in Washington. Kim Yong-choi werde ihm einen Brief von Kim Jong-un überreichen. Trump bestätigte erneut, dass er erwarte das Treffen mit Kim komme wie ursprünglich geplant am 12. Juni in Singapur zustande - obwohl er, Trump selbst, es erst vor einer Woche abgesagt hatte.

Der ehemalige Geheimdienstchef Kim Yong-chol gilt als Nordkoreas Nummer Zwei. Der Karrieresoldat war bis vor kurzem Viersterne-General. Doch Kim hat seinen wichtigsten Funktionär, da er den Einfluss der Armee reduzieren will, jüngst aus der militärischen in die zivile Hierarchie versetzt. Er ist nun Vize-Vorsitzender der Arbeiterpartei.

Gipfel könnte sogar verlängert werden

Die Nordkoreaner, die am Donnerstag in Singapur aktiv waren, sind gemeinsam mit einer Delegation des Weißen Hauses für die Logistik des Treffens verantwortlich. Angedacht ist, dass der Gipfel verlängert wird. Dann würde am zweiten Tag Südkoreas Präsident Moon Jae-in dazustoßen, der die Verbesserung der Beziehungen zwischen Pjöngjang und Washington vermittelt hat.

In Pjöngjang empfing Kim Jong-un am Donnerstag unterdessen den russischen Außenminister Sergej Lawrow. Die Sowjetunion hatte Nordkorea, trotz vieler Reibereien, in ihr internationales Wirtschaftssystem eingebaut; bis zu ihrem Untergang der 1991 garantierte sie den Kims ihre Sicherheit. Russland machte auch bei den Sechsparteien-Gesprächen zur atomaren Abrüstung der koreanischen Halbinsel mit, war aber dabei eher passiv.

Solange Nordkorea isoliert und mit allen seinen Nachbarn verfeindet war, sah Moskau keinen Grund, sich um den schwierigen Partnern zu bemühen, der einst ein unbequemer Klient der Sowjetmacht war. Es gibt eine gewisse Wirtschaftszusammenarbeit. Russland beschäftigt nordkoreanische Gastarbeiter, etwa als Waldarbeiter. Sonst hat Nordkorea ökonomisch nicht viel zu bieten, was Russland braucht.

Geostrategisch dagegen ist Korea, nicht nur der Norden, das Zentrum Nordostasiens. Der erste Krieg zwischen China und Japan 1895 und der Russisch-Japanische Krieg 1904/5 waren Kriege um Korea, die schließlich in der Kolonisierung der Halbinsel durch Japan endeten. Auch am Ende des Zweiten Weltkriegs, im Korea-Krieg und im langen Kalten Krieg, der in Korea bis heute andauert, ging es um Hegemonie.

Die koreanische Halbinsel veharrt schon so lange in ihrer Teilung, weil die drei anliegenden Großmächte, die USA, China, und Russland, an diesem Status quo festhielten. Alle drei fürchteten, sie könnten an Einfluss verlieren, wenn sich Nordkorea öffne. Auch deshalb sind frühere Ausgleichsversuche zwischen Nord und Süd gescheitert. Dann provozierte Kim Jong-un 2017 mit Raketen und seinem bislang stärksten Atomtest so sehr, dass Trump seinerseits mit einem Militärschlag drohte. Und man sich auch in Peking und Moskau Gedanken machte - Pjöngjang könnte seine Raketen ja auch gegen China oder Russland richten.

Kim Jong-un hat mit seinen Provokationen den eingefrorenen Status quo aufgebrochen. Im Wettlauf um Nordkorea, der jetzt eingesetzt hat, kommt Russland fast schon etwas spät.

Russland drängt auf Aufhebung der Sanktionen

Vor elf Jahre sah es schon einmal so aus, als taue die koreanische Halbinsel auf. Im Rahmen der sogenannten "Sonnenscheinpolitik", einer von Südkorea eingeleiteten Annäherung der Bruderstaaten, gab es auch große Pläne mit Moskau. Die Grundzüge einer Anbindung Seouls an Russlands Transsibirische Eisenbahn durch Nordkorea sind bereits ausgearbeitet. Die Strecke von Wladiwostok in die Hafenstadt Rason ganz im Nordosten Koreas ist bereits ausgebaut.

Lawrow forderte nach Gesprächen mit seinem nordkoreanischen Amtskollegen Ri Yong-ho am Donnerstag in Pjöngjang eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen. Ohne sie sei eine Denuklearisierung nicht möglich. Die Chinesen und die Südkoreaner haben das bisher so nicht gesagt, Lawrow ist der erste. Aber auch China wird die Sanktionen lockern wollen, zumal seine Nordostprovinzen ihrerseits darunter leiden.

Japan und die USA verdächtigen Russland schon heute, die Sanktionen würden von privaten Unternehmen umgangen. Beispielweise verlassen kleinere Öltanker russische Häfen mit einem Ziel irgendwo in Südostasien. Dort kommen sie nie an, kehren aber ohne ihre Fracht zurück. Das Öl wird auf hoher See auf nordkoreanische Schiffe umgeladen.

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