Süddeutsche Zeitung

Anklage gegen Wulff:Cho Cho, Cosmo Tidbits und Chateaubriand

Lesezeit: 3 min

Hat Christian Wulff die 9,20 Euro teuren Rindfleischspießchen in Sojasoße auf Kosten seines Freundes David Groenewold verzehrt? In der Anklage gegen den Ex-Ministerpräsidenten geht es um Detailfragen, um die Köstlichkeiten im Käferzelt und um ein Kindermädchen. Den Erklärungsversuchen Wulffs will die Staatsanwaltschaft partout keinen Glauben schenken.

Von Hans Leyendecker und Ralf Wiegand

753,90 Euro für einen Bittbrief - das war nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Hannover der Tarif, für den im Jahr 2008 eine Gefälligkeit des niedersächsischen Ministerpräsidenten zu haben war. Für diese Summe, gewährt in Sachwerten, hat sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Hannover der damalige Regierungschef Christian Wulff (CDU) für seinen Freund, den Berliner Filmfinanzier David Groenewold, um einen Sponsor bemüht, die Siemens AG. Die Staatsanwaltschaft klagt Wulff daher der Bestechlichkeit an, Groenewold der Bestechung sowie der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung.

Gut 20.000 Blatt Papier hat die Ermittlungsbehörde mithilfe von rund zwei Dutzend Beamten des Landeskriminalamts Hannover binnen 14 Monaten gefüllt, um nachzuweisen, dass sich Groenewold, 40, einen Gefallen von Wulff, 53, gekauft habe. Dazu habe der Unternehmer dem Politiker 400 Euro für zwei Übernachtungen im Hotel Bayerischer Hof in München zugeschossen, für 110 Euro ein Kindermädchen spendiert, 103,90 für eine Mahlzeit im Hotelrestaurant übernommen und Wulff nebst Gattin Bettina für anteilig 140 Euro an Speis und Trank in Käfers Festzelt teilhaben lassen. Auf 79 Seiten führt die Staatsanwaltschaft Hannover im Entwurf ihrer Anklageschrift aus, warum Wulff bewusst gewesen sei, dass er für all diese Gefälligkeiten später einer Bitte Groenewolds entsprechen sollte. Der habe nämlich im Gegenzug für das Wiesn-Wochenende erwartet, dass sein Freund sich bei Siemens-Chef Peter Löscher für ein Film-Sponsoring einsetzt.

Ein Bittbrief auf der Festplatte

Konkret ging es dabei um den Film "John Rabe", der 2009 in die Kinos kam. Der Streifen schildert das Leben des Siemens-Managers Rabe, der Hunderttausenden Chinesen im Zweiten Weltkrieg das Leben gerettet hatte. Filmfinanzier Groenewold war an der Produktion zwar nur indirekt beteiligt, vom Geschäftsführer der federführenden Produktionsgesellschaft aber darum gebeten worden, seine Kontakte spielen zu lassen, um bei Siemens etwas rauszuschlagen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft haben sich Wulff und Groenewold dann so verabredet, dass der Unternehmer einen Teil der Kosten des München-Trips vom 26. bis 28. September 2008 bezahlte - jenen Teil nämlich, den Wulff nach Ansicht der Ermittler nicht sicher von der Staatskanzlei als dienstliche Ausgaben erstattet bekommen hätte - und dass Wulff dafür Löscher um Unterstützung bat. Ein Brief Groenewolds an Wulff, in dem ersterer bei seinem Freund um seine Hilfe warb, fand sich mit Datum 29. September 2008 auf einer Festplatte.

Zwar behaupten die Beschuldigten bis zum heutigen Tage, dass Groenewold die Kosten der Hotelrechnung heimlich bezahlt habe, dass Wulff den Betrag für das Kindermädchen in bar an Groenewold übergeben habe, als er ihn auf der Hotelrechnung vermisste, und dass sie gar nicht gemeinsam im Hotelrestaurant gewesen wären - die Ermittler halten das aber für gelogen.

Wie viele Personen aßen bei Trader Vic's?

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hat Groenewold jenen Teil der Hotelkosten bezahlt, der den Einzelzimmerpreis überstieg - um Wulff zu ermöglichen, Frau und Kind mitzunehmen, ohne das gegenüber der Staatskanzlei in Hannover begründen zu müssen. Daher auch das zugebuchte Kindermädchen für den 27. September, den Wiesn-Besuch. Für den Abend des Anreisetages, 26. September, hatte Groenewold im Restaurants Trader Vic's im Keller des Hotels für acht Personen reservieren lassen, tatsächlich hätten aber nur drei Leute Platz genommen: Christian und Bettina Wulff sowie Groenewold - glauben die Ermittler. Zeugen fanden sich für diese Besetzung nicht; Groenewold sagt, er wisse nicht mehr, mit welchen seiner Münchner Freunde er dort zu Abend gegessen habe, die Wulffs seien es aber nicht gewesen. Die Wulffs wiederum gaben an, nach der langen Anreise per Auto und einem Wahlkampfauftritt in München rasch aufs Zimmer gegangen zu sein, zumal sie ihren Sohn im Säuglingsalter nicht mit in das Restaurant genommen hätten.

Die Staatsanwaltschaft nimmt dennoch an, dass die Wulffs mit Groenewold aßen und auf dessen Kosten verzehrten: Cho Cho (Rindfleischspießchen in Sojasoße) für 9,20 Euro, Cosmo Tidbits (gemischte Vorspeisenauswahl) für 15,80, Chateaubriand für 31,50 sowie Prawns Mimosa für 16 Euro. Von zwei bestellten Flaschen Wasser (Evian, Stück 12 Euro) rechnete sie eine den Wulffs zu. Von den restlichen Rechnungsposten, überwiegend Getränke, schrieb sie ihnen weitere 19,40 Euro zu.

Ungläubige Staatsanwaltschaft

Dass Christian Wulff am 15. Dezember 2008, nach einer China-Reise, sich in einem Brief an Löscher nicht wegen der Spießchen, sondern wegen einer Verbesserung des deutsch-chinesischen Verhältnisses für eine Beteiligung des Konzerns "an der Auswertung des Films und an einer Veranstaltung auf der Berlinale" einsetzte, glauben die Ankläger unter Führung des Oberstaatsanwalts Clemens Eimterbäumer nicht.

Wie sie so vieles nicht glauben, was Wulff und Groenewold zu ihrer Verteidigung angegeben haben. So habe sich Groenewold viel zu häufig korrigieren müssen, als es darum ging, warum genau er fast die Hälfte von Wulffs Logiskosten in Höhe von 430 Euro pro Nacht übernommen hatte. Weil er Wulff sein größeres Zimmer überlassen hatte? Weil er ein kostenpflichtiges Upgrade organisiert hatte? Oder war es Groenewold einfach peinlich, dass das Zimmer viel teurer gewesen sei, als er seinem Freund mitgeteilt haben will? Wulff wiederum habe die Mitnahme von Frau und Kind in seiner Reisekostenabrechnung der Staatskanzlei gegenüber bewusst verschwiegen. Und auf der Gästeliste für Käfers Festzelt habe Groenewold statt der Namen Wulff Falschpersonalien angegeben.

Das alles rechtfertigt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft den Antrag beim Landgericht Hannover zur Eröffnung eines Hauptverfahrens.

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Quelle:
SZ vom 13.04.2013
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