Süddeutsche Zeitung

Russland:Nawalny in weiterem Prozess verurteilt

Lesezeit: 2 min

Der Kreml-Kritiker sitzt bereits seit 2021 in einem Straflager. Nun verlängert sich seine Haftstrafe zu insgesamt 19 Jahren.

Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ein Moskauer Gericht sprach am Freitag das Urteil, nach dem er wegen angeblichem Extremismus insgesamt 19 Jahre in Haft muss. Der 47-Jährige befindet sich bereits in einem russischen Straflager. Die Staatsanwaltschaft hatte 20 Jahre Haft gefordert.

Über die genaue Höhe der Strafe bestand zunächst Verwirrung. Aufgrund von Tonproblemen bei der Verkündung wurde über 19 Jahre Haft spekuliert, bestätigt wurde das einige Stunden nicht. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch hatte auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur erklärt, dass mit dem Urteil die Gesamtlänge der Haftdauer gemeint sein sollte - also die elf Jahre Straflager, zu denen Nawalny bereits verurteilt worden ist, mit eingerechnet seien. Zwei Jahre hat Nawalny bereits abgesessen. So berichten es auch russische Medien übereinstimmend. Der Prozess wurde als geheim eingestuft und fand im Straflager von Melechowo statt, etwa 250 Kilometer von Moskau entfernt.

Nach seiner neuen Verurteilung hat Nawalny an den Mut der Russen zum Widerstand gegen Präsident Wladimir Putin appelliert. "Putin sollte seine Ziele nicht erreichen. Verliert nicht den Willen zum Widerstand", sagte Nawalny am Freitag nach dem Richterspruch in seinem Straflager.

"19 Jahre in einer Kolonie mit einem besonderen Regime. Die Zahl spielt keine Rolle. Ich verstehe sehr gut, dass ich, wie viele politische Gefangene, eine lebenslange Haftstrafe verbüße", schrieb Nawalny auf X, vormals Twitter. Lebenslang beziehe sich dabei entweder auf die Dauer seines eigenen Lebens oder die "Lebensdauer dieses Regimes". Nawalnys Team hatte stets gesagt, dass er so lange nicht in Freiheit komme, wie Kremlchef Putin an der Macht bleibe.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock reagiert prompt auf das Urteil - mit scharfer Kritik. Sie bezeichnet den Richterspruch als "blankes Unrecht". Der russische Präsident Wladimir Putin werde damit kritische Stimmen nicht zum Schweigen bringen, schrieb sie bei X (ehemals Twitter). Auch der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, kritisierte das Urteil scharf und forderte die Freilassung Nawalnys. Es gebe "erneut Anlass zu ernster Besorgnis über die Schikanen der Justiz und die Instrumentalisierung des Gerichtssystems für politische Zwecke in Russland", teilte er in Genf mit.

Nawalny selbst sowie internationale Beobachter waren von einer hohen Strafe ausgegangen. Das neue Urteil gegen ihn diene der gesellschaftlichen Einschüchterung, schrieb Nawalny vor der Verkündung. Es solle die kritischen Teile der russischen Bevölkerung davon abhalten, sich öffentlich gegen Putin und Russlands Krieg in der Ukraine zu stellen. Schon in seinem Schlusswort vor zwei Wochen hatte der Oppositionspolitiker dazu aufgerufen, gegen das "gewissenlose Böse, das sich selbst ,Staatsmacht der Russischen Föderation' nennt", zu kämpfen.

Nawalnys Team meinte, Putin selbst habe das Strafmaß am Ende festgelegt. In Freiheit komme der Kremlgegner erst, wenn Putin nicht mehr an der Macht sei. Sie erwarten neue Prozesse.

Neben Nawalny gibt es noch weitere politische Gefangene

Seit dem Einmarsch in die Ukraine hat sich in Russland die Gangart gegen Regierungskritiker drastisch verschärft. Neben Nawalny gibt es zahlreiche weitere politische Gefangene, etwa Wladimir Kara-Mursa. Er wurde im April wegen seiner Kritik am Krieg zu 25 Jahren Straflager verurteilt - die bislang höchste Haftstrafe gegen einen Regierungskritiker in Russland. Am vergangenen Montag wurde Kara-Mursas Berufungsgesuch abgelehnt.

Kara-Mursa ist, ebenso wie Nawalny, gesundheitlich stark angeschlagen. Die Oppositionellen haben beide Giftanschläge überlebt: Kara-Mursa wurde 2015 und 2017 vergiftet, Nawalny im Jahr 2020. Nawalny wirft dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB und Präsident Wladimir Putin vor, hinter dem Anschlag zu stecken. Der Kreml dementiert das. Nach einer Behandlung in Deutschland kehrte Nawalny damals in seine Heimat zurück. Noch am Flughafen wurde er festgenommen - angeblich, weil er gegen Bewährungsauflagen aus einem anderen Verfahren verstoßen haben soll. Im März 2022 wurde er wegen angeblicher Veruntreuung und Beleidigung einer Richterin zu elf Jahren Straflager verurteilt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.6095412
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dpa/zaa/nadl
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.