Süddeutsche Zeitung

AKW Krümmel:Vattenfall untersucht 80.000 Brennstäbe

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Vattenfall räumt nach der Panne im AKW Krümmel mögliche weitere Schäden ein - die Atompolitik bleibt derweil Wahlkampfthema.

Im abgeschalteten Atomkraftwerk Krümmel müssen wegen eines weiteren Schadens nun auch 80.000 Brennstäbe untersucht werden. Ab Freitag solle deswegen der Reaktordruckbehälter geöffnet werden, sagte der zuständige Vattenfall-Geschäftsführer Ernst Michael Züfle in Berlin.

Vermutlich seien "einer oder einige wenige Brennstäbe defekt". Diese sollen nun gesucht, gefunden und ausgetauscht werden. Wie lange das dauern werde, sei nicht abzusehen. Die Brennstäbeschäden hätten nach ersten Erkenntnissen nichts direkt mit dem Trafo-Kurzschluss vom Wochenende zu tun.

Für die Bevölkerung habe nach dem Kurzschluss zu keinem Zeitpunkt irgendein Risiko bestanden, hieß es

"Wir übernehmen die Verantwortung"

"Jetzt stehen alle Prozesse, technisch und organisatorisch, auf dem Prüfstand", sagte der Chef der deutschen Vattenfall-Tochter, Tuomo Hatakka. Dazu sei ein Sonderermittler eingesetzt worden.

Vattenfall entschuldigte sich indirekt. Es sei zu Sorgen in der Bevölkerung gekommen. "Das bedauern wir natürlich sehr", sagte Hatakka. Der Vorfall sei nur eine "Normalmeldung" gewesen. "Gleichzeitig bleibt festzuhalten, dass Fehler gemacht wurden." Der Fall sei ein herber Rückschlag im Bemühen um mehr Vertrauen. Vattenfall versprach klare Konsequenzen.

"Wir sind verantwortlich und basta. Wir übernehmen die Verantwortung", sagte Hatakka. "Ich stehe mit meinem Namen dafür, dass unser Unternehmen daraus Konsequenzen zieht". Kritik an der Informationspolitik wies er allerdings zurück.

Politiker debattieren weiter

Der künftige Umgang mit der Kernenergie bleibt indes ein heikles Wahlkampfthema: Auch SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier verlangt nun die endgültige Schließung Krümmels. "Die wiederholten Pannen in Krümmel haben das Vertrauen vieler Menschen in die Atomenergie weiter erschüttert", sagte der Außenminister. Der Betreiber Vattenfall habe seine "Bewährungsprobe" nicht genutzt. Die endgültige Schließung sei deshalb ein "Gebot der Vernunft" für die Menschen in der Region, aber auch für das Ansehen des Unternehmens in Deutschland.

Wer - wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) - Krümmel trotz wiederholter Pannen als "Kraftwerk mit Zukunft" bezeichne, scheide als ernstzunehmender Politiker aus, sagte der Vize-Kanzler. Mit Oettingers Vorschlag für unbegrenzte Laufzeiten von Atommeilern solle Deutschland in die "energiepolitische Steinzeit" zurückgeworfen werden. Dies gelte auch für CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, der die Atomkraft als "Öko-Energie des 21. Jahrhunderts" bezeichnet habe.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnete bei einem Ukraine-Besuch die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl als mahnendes Beispiel für die deutsche Atomkraft-Diskussion. "Das Beispiel Tschernobyl vor 23 Jahren stellt uns noch heute vor die Frage, wie die Endlagerung und die Sicherung (des Reaktors) endgültig zu klären sind", sagte Gabriel in Kiew.

Die "Unsummen", die man dort hineinstecke, könne man besser für energieeffiziente Projekte nutzen. Gabriel wollte am Nachmittag erstmals den Katastrophenmeiler von Tschernobyl besichtigen.

Mehrere Unionspolitiker griffen Gabriel indes für seine Äußerungen zur Atompolitik scharf an, darunter Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner (CDU). CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte, Gabriel "schürt Ängste und macht die Öffentlichkeit verrückt".

Ex-Superminister Wolfgang Clement kritisierte im Interview mit sueddeutsche.de sowohl den Anti-Atom-Kurs der SPD als auch Krümmel-Betreiber Vattenfall.

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