Süddeutsche Zeitung

EU-Postenverteilung:Kramp-Karrenbauer kritisiert Macron deutlich

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Von Cerstin Gammelin, Berlin

Unmittelbar vor dem Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs am Sonntag in Brüssel hat CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer deutliche Kritik an Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron geübt. Sie habe es "sehr bedauert", dass es in den laufenden Gesprächen um die Besetzung von europäischen Spitzenämtern "nicht nur um ein demokratisches Prinzip, nämlich das Spitzenkandidatenprinzip, gegangen ist", sagte sie am Freitag in Berlin beim Jahrestreffen der Familienunternehmer. Zudem habe sie "bedauert, dass auch durch die Art und Weise, wie es debattiert worden ist, auch durch den französischen Staatspräsidenten, der Eindruck entstanden ist, dass es vor allem eine Debatte um Deutschland und Frankreich um einen einzelnen Kopf gibt. Das ist es nicht und diesen Eindruck sollten wir auch nicht zulassen."

Die Kritik der CDU-Chefin an Macron ist ungewöhnlich direkt. Sie befeuert den ohnehin hitzigen Streit um die Bestimmung des nächsten EU-Kommissionspräsidenten: Er dreht sich darum, ob der nächste Kommissionschef einer der Spitzenkandidaten sein muss - oder ein Kandidat von außen. Der Posten ist Teil eines größeren Personalpakets, das derzeit versucht wird zu schnüren; unter anderem beraten die europäischen G-20-Mitglieder auch am Rande des G-20-Gipfels in Osaka.

Macron fordert, der Kommissionschef müsse große politische Erfahrungen mitbringen. Nötig seien Frauen und Männer mit "Erfahrung und Glaubwürdigkeit", hatte der Franzose direkt nach der Europawahl gesagt. Der Spitzenkandidat der EVP, Manfred Weber, gehört nach Macrons Ansicht nicht zu diesem Personenkreis.

Weber war im Herbst vergangenen Jahres, als die Schwesterparteien CSU und CDU selbst in große Streitigkeiten verwickelt waren, als gemeinsamer Spitzenkandidat der Unionsparteien für die Europawahl aufgestellt worden. Die Nominierung trug intern zur Versöhnung der Unionsparteien bei. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich bis zuletzt hinter Weber gestellt - wohlwissend, dass Macron und die meisten anderen europäischen Staats- und Regierungschef den CSU-Politiker ablehnen.

Trotzdem hatte AKK Macron zuletzt einen Deal angeboten, wonach sie als Gegenleistung für eine Unterstützung Webers als Kommissionspräsident den Wunsch des Franzosen nach transnationalen Listen bei der nächsten Europawahl unterstützen werde. Macron hatte bereits für diese Wahl länderübergreifende Wahllisten gefordert, um die Wahl transparenter zu machen. Er war damit gescheitert, auch am Widerstand der Union. AKK erwähnte dieses Angebot am Freitag nicht.

Sie betonte, dass Deutschland und Frankreich "bei aller Freundschaft" auch unterschiedliche nationale Interessen hätten. Zu Deutschlands Verantwortung gehöre es eben auch zu prüfen, "ob der Vorschlag der anderen Seite sich auf die eigenen nationalen Interessen positiv oder negativ auswirken" werde, sagte sie. Skeptisch äußerte sie sich auch über Macrons Bewegung La République en Marche: "Es ist gut und schön, wenn man eine Bewegung hat, die auf eine Person zentriert ist. Aber man muss sich fragen, was bleibt, wenn die Person weg ist."

Weber werden inzwischen so gut wie keine Chancen mehr auf das Amt eingeräumt. Es ist nicht gelungen, nach dem Wahlsieg der EVP bei der Europawahl Mehrheiten zu organisieren - weder im Europäischen Parlament noch unter den Staats- und Regierungschefs.

Die Familienunternehmer machten am Freitag deutlich, dass ihnen ohnehin eine andere Personalie wichtiger ist. "Von der Besetzung der europäischen Spitzenposten - ich denke insbesondere auch an den künftigen EZB-Präsidenten - hängt gerade für die Familienunternehmen vieles ab", sagte Stiftungsvorstand Rainer Kirchdörfer. Die deutschen Unternehmer hoffen, dass Bundesbankpräsident Jens Weidmann am 1. November an die Spitze der mächtigen Zentralbank wechseln - und die lockere Geldpolitik des jetzigen Präsidenten Mario Draghi beenden wird.

Der Posten ist Teil des europäischen Personalpakets. Beobachter gehen davon aus, dass die deutsche EZB-Präsidentschaft nur zusammen mit einer französischen Spitzenpersonalie ausgehandelt werden kann. Genannt werden dafür vor allem zwei Namen: Michel Barnier, der europäische Brexit-Unterhändler. Und Christine Lagarde, die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds. Lagarde gilt als Konsenskandidatin für Merkel und Macron. Sie wird der EVP zugerechnet, gilt aber ausreichend distanziert zu den jetzigen französischen Konservativen. Lagarde ist übrigens auch beim G-20-Gipfel in Osaka dabei. Am Sonntag wollen die Europäer über die Personalien entscheiden.

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