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Corona:Afrika soll eigene Impfstoffproduktion bekommen

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Bisher sind nur etwa 2,5 Prozent aller Afrikaner vollständig gegen Covid geimpft. Nun will Bundeskanzlerin Merkel Pläne vorstellen, um den Kontinent besser zu versorgen.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Deutschland, die EU und verschiedene Pharmahersteller wollen in den kommenden Monaten die Versorgung des afrikanischen Kontinents mit Corona-Impfstoffen entscheidend verbessern. Am Freitag sollen im Rahmen der "Compact with Africa"-Konferenz verschiedene Vorhaben vorgestellt werden, Bundeskanzlerin Angela Merkel will persönlich Kredite und Hilfsgeld in dreistelliger Millionenhöhe verkünden. Im Senegal, in Ruanda und Südafrika sind Fabriken geplant, die Impfstoffe abfüllen oder auch komplett herstellen. Biontech will nach SZ-Informationen bereits im ersten Quartal 2022 mit dem Bau einer Fabrik in Ruanda beginnen.

Bislang ist keine Region der Welt so schlecht mit Impfstoffen versorgt wie Afrika, nur etwa 2,5 Prozent der 1,2 Milliarden Einwohner sind vollständig geimpft. Während viele westliche Industrienationen deutlich mehr Dosen bestellt haben, als sie benötigen, kommt in Afrika immer noch zu wenig Impfstoff an. "Einige reiche Länder horten Impfstoffe und verhöhnen die Impfgerechtigkeit. In Ländern mit hohem Lebensstandard wurden pro Hundert Einwohnern 103 Dosen verabreicht, in Afrika nur sechs", sagt Matshidiso Moeti, die WHO-Regionalbeauftragte für Afrika.

Ursprünglich wollten die reicheren Länder Afrika mit Hilfe der Covax-Initiative mit Impfstoff versorgen, die unter anderem von der WHO und der Gates-Stiftung unterstützt wird. Ziel ist es, die ärmsten 20 Prozent der Weltbevölkerung mit Impfstoffen zu beliefern. Davon ist man weit entfernt, unter anderem, weil der Covax-Impfstoff vor allem in Indien produziert werden sollte, das aber mittlerweile starke Exportbeschränkungen eingeführt hat, um zuerst die eigene Bevölkerung zu versorgen.

Südafrikas Präsident spricht von "Impfstoff-Apartheid"

Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa hatte die ungleiche Verteilung als "Impfstoff-Apartheid" gebrandmarkt und die Aufhebung der Patentrechte gefordert, mehr als hundert andere Staaten schlossen sich der Forderung an. Die Verhandlungen bei der WHO dauern an, bisher ist keine Lösung in Sicht.

Deutschland und die EU setzen nun auf die Produktion von Impfstoffen in Afrika. In einer ersten Phase sollen sogenannte "Fill and finish"-Einrichtungen gebaut werden, in denen der noch in Europa oder den USA hergestellte Impfstoff abgefüllt wird.

Der südafrikanische Konzern Aspen verpackt bereits die Impfstoffe von Johnson & Johnson, der deutsche Biontech-Konzern hat eine Vereinbarung mit der halbstaatlichen Firma Biovac in Kapstadt getroffen. Auch in Senegal soll Impfstoff abgefüllt werden. In einer zweiten Phase soll die vollständige Impfstoffproduktion nach Subsahara-Afrika verlegt werden, mit Standorten in Südafrika, Ruanda, Senegal und möglicherweise Ghana. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit unterstützt die Länder finanziell, die dann aber selbst mit den Impfstoffherstellern kooperieren.

Biontech will bereits im ersten Quartal 2022 mit dem Bau einer Fabrik in Ruanda beginnen. Staatspräsident Paul Kagame wird sich im Rahmen des "Compact with Africa"-Gipfels in Berlin mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen treffen, auch um Details zu klären. Die Fertigungsanlage soll in Containern nach Ruanda geliefert werden. Die Investition wird aus den sprudelnden Gewinnen von Biontech finanziert und von der Europäischen Investitionsbank mit Krediten unterstützt. Biontech-Gründer Uğur Şahin hatte vor einigen Wochen angekündigt, die Impfstoffe zum Selbstkostenpreis herzustellen und keinen Profit zu machen.

Bis zum Produktionsbeginn gibt es noch einige Hürden zu nehmen. So muss die Fabrik noch von der WHO zertifiziert werden, ein aufwendiger Prozess, bei dem das deutsche Paul-Ehrlich-Institut helfen soll. Das Institut Pasteur in Senegal besitzt bereits eine Zertifizierung der WHO und stellt Gelbfieberimpfstoffe her, auch dort soll bald mit der Abfüllung von Impfstoffen und dem Aufbau einer Produktion begonnen werden.

Der Aufbau einer Impfstoffproduktion in Afrika "wäre eine Initialzündung im Kampf gegen die Pandemie", sagt Gerd Müller, der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, der SZ. "So ein Technologieschub würde auch bei Impfungen gegen Masern, Polio oder künftig auch Malaria helfen."

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