Süddeutsche Zeitung

Machtkampf in der AfD:Partei vor der Zerreißprobe

Lesezeit: 3 min

Von Jens Schneider, Berlin

Der Angriff rollt noch. Jeden Tag unterzeichnen weitere Mitglieder der Alternative für Deutschland (AfD) die Resolution, in der Bernd Höcke der eigenen Partei Feigheit und Anpassung vorwirft. 1500 Mitglieder hätten unterschrieben, sagt Höcke. Man steuere die 2000er-Marke an. "Das ist kein Ost-Phänomen, die Unterzeichner kommen aus der ganzen Republik. Das sind die Menschen, die diese Partei groß gemacht haben. Sie sorgen sich, dass die AfD ihre grundsätzlich andere Linie verliert."

Resolution spielt Lucke in die Hände

Der Chef der AfD in Thüringen erfährt gerade viel Aufmerksamkeit. Höcke hat eine Stimmung in der AfD mit seiner "Erfurter Resolution" gebündelt. Er warnt vor "Technokratentum" und "vorauseilendem Gehorsam" gegenüber den herrschenden Verhältnissen. Es liest sich wie ein Angriff auf Parteichef Bernd Lucke. Nun sagt Höcke, so sei das nicht gemeint gewesen. "Die Resolution richtet sich nicht gegen irgendeine Person oder Gruppierung", sagt er. "Wer was anderes darin liest, irrt."

Das mag naiv sein oder eine taktische Flucht, aufhalten kann er die Dynamik nicht. Lucke nutzt die Resolution als Vorlage für einen Showdown, den er nach Auffassung interner Gegner schon länger plant. In einer Mail an die Mitglieder nennt er sie "sehr verletzend" und fordert nun für den Parteitag Mitte Juni eine "Richtungsentscheidung" bei den Vorstandswahlen.

Lucke will angeblich eigenwillige Parteigründer ausbooten

Bisher steht ein Trio an der Spitze, neben Lucke die sächsische Landeschefin Frauke Petry und der Publizist Konrad Adam. Im Juni soll ein Vorsitzender gewählt werden, der von Dezember an die AfD allein führt.

Lucke, bisher einziger Kandidat, will nun offenbar möglichst viele Mitstreiter in der Spitze um sich scharen. Es gehe ihm, heißt es aus Führungskreisen, darum, dass einige der eigenwilligen Parteigründer künftig nicht mehr dabei sind - so sein profiliertester Widersacher: der AfD-Vize und Brandenburger Landeschef Alexander Gauland, die Galionsfigur des rechtskonservativen Flügels. Er hat Höckes Erklärung unterzeichnet.

Er will zur Mitte rücken, träumt von der Regierungsbeteiligung, heißt es über den Parteichef

"Ich befürchte, dass der Lucke-Flügel den Durchmarsch will", sagt der Ko-Vorsitzende Konrad Adam. Er meint damit auch die Inhalte der Partei. Adam meint, dass Lucke und der Partei-Vize Hans-Olaf Henkel die Partei auf einen rein wirtschaftsliberalen, eurokritischen Kurs einschwören wollen. "Wenn die AfD nur noch die Euro-Kritik als Thema hat, gebe ich ihr keine große Zukunft." Auch Frauke Petry warnt: "Die Vorstandswahlen sollten in der derzeitigen Phase gerade keine Richtungsentscheidung sein. Sie sollten dazu führen, dass alle Strömungen vertreten sind."

Im Kreis der Widersacher wird erwogen, ob ein namhafter Kandidat gegen Lucke antreten soll: "Es muss klare Kante gezeigt werden. Er ist unser Gegner." Andere bremsen, darauf wartet Lucke nur. So traut sich niemand aus der Deckung. Das ist eine neue Qualität in der "Mut zur Wahrheit"-Partei: Man verzichtet auf Kritik, aus Angst vor der Macht des Parteifreunds.

Es geht um Lucke, dem Vorstandsmitglieder autokratische Tendenzen nachsagen, aber auch um Inhalte. Im vergangenen Jahr nahm Lucke gern in Kauf, dass die AfD in Ostdeutschland ihre größten Erfolge mit einer Ausrichtung erreichte, bei der die Euro-Kritik Nebensache war. Sie punktete mit kritischen Tönen zu Asyl und Zuwanderung, sprach Ressentiments an. Nun will er diese Themen in den Hintergrund schieben.

Aus Vorstandskreisen ist zu hören, dass er zur Mitte rücken, "anschlussfähig" zur CDU sein will, von einer Regierungsbeteiligung träumt. Er wirft Gauland vor, der AfD mit allzu rechtskonservativen Positionen zu schaden.

Konservativ oder Liberal?

Die Unterscheidung in Konservative und Liberale verzerrt das Bild: Lucke ist, wie er selbst bekannte, kein Liberaler. Aber Gaulands Unterstützung für Pegida und dessen kritische Aussagen zum Islam haben der AfD nach Luckes Auffassung geschadet. Gauland hingegen ist überzeugt, dass diese Positionen die AfD starkgemacht haben. Das Verhältnis der beiden gilt als zerrüttet. "Da hätte ich auch gleich in der CDU bleiben können", sagt der 74-Jährige mit Blick auf Luckes Kurs. Gauland lässt eine neue Kandidatur offen: "Ich habe mich noch nicht entschieden."

Als mögliche Gegenkandidatin zu Lucke gilt Frauke Petry, doch die 39-Jährige schließt das aus. Lieber gibt sie die einigende Kraft, die Lucke als zweite Vorsitzende an seiner Seite brauche, und streut Zweifel an seiner Integrationsfähigkeit. "Ich erwarte von ihm ein klares positives Bekenntnis zu meiner Person. Er sollte wissen, dass er integrative Kräfte braucht." Lucke äußert sich dazu nicht. Es gibt Anzeichen, dass er Petry einbinden will, um die Basis komplett hinter sich zu bringen.

In Erfurt ist von Spaltung die Rede

In der "Deutschland-Resolution", einer harschen Antwort auf Höckes Erklärung, vereinnahmten Luckes Unterstützer Petry für ihre Linie. Anderen empfiehlt Hans-Olaf Henkel, ein Lucke-Vertrauter, sich eine andere Partei suchen. "Zu viele der lauten Wortführer stehen für nichts als für sich selbst", sagt er. "Ich erlebe immer öfter, dass Leute in Ämter drängen, um sich persönlich zulasten der Mitglieder, Steuerzahler und Spender zu sanieren."

Der Thüringer Höcke sagt: "Ich muss leider vermuten, dass Herr Henkel sich nicht immer so im Griff hat." Für die Bundesspitze wolle er nicht kandidieren. Er hat auch andere Probleme. Seine Resolution mag bundesweit weiter Unterstützer finden, daheim in Erfurt stellten sich drei Abgeordnete dagegen. Von einer möglichen Spaltung ist die Rede. So weit ist die Bundespartei noch nicht.

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SZ vom 27.03.2015
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