Süddeutsche Zeitung

Corona-Folgen:AfD-Bundesparteitag durch Impfskepsis bedroht

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Die Impfskepsis ihrer Mitglieder könnte ein Problem für die AfD werden. Der wichtige Bundesparteitag im Dezember droht wegen schärferer Corona-Regeln zu platzen - weil ungeimpfte Delegierte wohl nicht in Hotels am Tagungsort übernachten dürfen.

Von Markus Balser, Berlin

Welche unrühmliche Rolle die AfD im Kampf gegen Corona spielt? Erst am Donnerstag wurde das im Bundestag klar. Während Abgeordnete aller anderen Fraktionen Maske trugen, blieb die AfD demonstrativ maskenfrei. Trotz voller Intensivstationen kritisierte Parteichef Tino Chrupalla eine "panische Politik". In einer Wutrede gegen Impfungen sorgte schließlich der Abgeordnete Martin Sichert für den Höhepunkt der Tiraden. "2G und 3G dienen nicht dem Gesundheitsschutz, 2G und 3G dienen dazu, die Bürger mit massivem Druck zu willigen Untertanen zu erziehen", verstieg sich Sichert entgegen jeder wissenschaftlichen Erkenntnis und im Stil von Verschwörungstheorien.

Dass Impfskepsis und Widerstand gegen die Corona-Regeln in Teilen der Partei weit verbreitet sind, könnte nun jedoch für die AfD selbst zum ernsten Problem werden. Denn obwohl sich die pandemische Lage täglich verschlechtert, ist sie entschlossen, am 11. und 12. Dezember in Wiesbaden ihren nächsten Bundesparteitag abzuhalten. Das Treffen hat große Bedeutung für die Partei. Die 600 Delegierten sollen dann nach dem angekündigten Abschied von Parteichef Jörg Meuthen eine neue Spitze wählen. Hinter den Kulissen laufen sich bereits mögliche Nachfolger warm. Es geht um eine Entscheidung im Machtkampf zwischen den für AfD-Verhältnisse gemäßigten Kräften und dem äußerst rechten Lager.

Doch die rasant steigenden Corona-Zahlen könnten den Showdown unmöglich machen. Denn in Hessen sollen die Corona-Regeln deutlich verschärft werden. In Hotels könnte schon bald die 2G-Regel gelten. Nur wer geimpft oder genesen ist, dürfte dann noch einchecken. Ungeimpfte Delegierte könnten dann nicht anreisen. Da hilft es wenig, dass der Parteitag selbst als sogenannte "privilegierte Veranstaltung" gelten dürfte. Das Treffen in einem Kongresszentrum könnte damit von der 2G-Pflicht ausgenommen werden. Doch ohne Übernachtungsmöglichkeit für alle Delegierten wäre ein solcher Parteitag kaum durchzuführen.

Schlechte Karten für das rechte Lager

Die Sorge in Kreisen der AfD-Spitze ist groß, dass viele Delegierte von verschärften Regeln betroffen wären. Das gelte vor allem für das äußerst rechte Lager der Partei. Dieses hätte bei der Wahl wichtiger Personalien dann wohl schlechte Karten, heißt es in Kreisen der Parteispitze, und würde eine Verschiebung des Parteitags forcieren. Zuletzt hatte sich etwa der Thüringer Landeschef Björn Höcke immer wieder kritisch über die Impfung geäußert. Eine Vielzahl der Bürger stünden ihr skeptisch gegenüber, sagte Höcke. Dazu hätten sie jedes Recht. Ob er selbst geimpft ist, ist nicht bekannt.

Am Freitag befasste sich wegen der brisanten Lage auch der Bundesvorstand der AfD mit der Frage, ob der Parteitag überhaupt stattfinden kann. Eine Entscheidung sei zunächst vertagt worden, sagte ein Parteisprecher. Die AfD-Führung wolle nun bis Montag abwarten, wie sich die Rechtslage in Hessen entwickle. Der Vorstand werde dann erneut über das Thema beraten.

Wie groß die Zahl der Ungeimpften in der Partei ist, machte diese Woche die AfD selbst mit einer anderen Absage öffentlich. Am Montag blies die Partei ihren für dieses Wochenende geplanten Landesparteitag in Brandenburg wegen der verschärften 2G-Regeln ab. Vize-Landeschef Daniel Freiherr von Lützow hatte das damit begründet, dass nach Schätzung der AfD mehr als die Hälfte der eigenen Mitglieder nicht geimpft seien. Daher habe man sich aus juristischen Gründen zur Absage entschlossen. Zu den Landesparteitagen der AfD haben alle Mitglieder Zutritt.

Wiesbaden prüft, ob der Parteitag stattfinden kann

Die Bundesspitze hofft derweil weiter, dass der Parteitag in Hessen stattfinden kann. Der AfD sei es trotz aller Corona-Widrigkeiten schon zweimal gelungen, Parteitage abzuhalten, erklärten Jörg Meuthen und Co-Chef Tino Chrupalla in einem gemeinsamen Statement. Sie gingen davon aus, dass das auch in Wiesbaden gelinge.

Die Stadt Wiesbaden wollte sich unter Verweis auf die Neuregelung der Corona-Bedingungen am Freitag nicht zur Frage äußern, ob der Parteitag wie geplant stattfinden kann. In den nächsten Tagen, hieß es, müsse die Stadt die neue Rechtslage prüfen.

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