Süddeutsche Zeitung

Bürgerkrieg in Äthiopien:Eine Chance für den Frieden?

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Zentralregierung und Tigray-Kämpfer sind erstmals gleichzeitig bereit, die Waffen schweigen zu lassen. Doch die Milizen stellen Bedingungen.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Es ist eine Erkenntnis, die viel Zeit gebraucht hat. 17 Monate nach Beginn des Bürgerkrieges teilte die Regierung Äthiopiens am Donnerstagabend mit, sie werde einen sofortigen einseitigen Waffenstillstand für die Regionalkämpfe im Norden ausrufen - um "den Weg für eine Lösung des Konflikts ohne weiteres Blutvergießen zu ebnen".

Der Krieg zwischen der abtrünnigen Region Tigray und der Zentralregierung von Ministerpräsident Abiy Ahmed begann Ende 2020, ein Jahr nachdem Abiy für seine Entspannungspolitik mit dem Erzfeind Eritrea den Friedensnobelpreis bekommen hatte. Doch der Premier beteiligte sich daran, Äthiopien in einen neuen Konflikt zu stürzen. Zehntausende Menschen sollen seitdem ums Leben gekommen sein, etwa sechs Millionen sind in Tigray laut den UN "faktisch von der Außenwelt abgeschnitten".

Nun bittet die Regierung von Abiy die internationalen Hilfsorganisationen, "ihre großzügigen Beiträge zur Linderung der Situation zu verdoppeln", und betont den Willen zur Kooperation, damit die Unterstützung schneller bei den Menschen ankommt.

So oder so ähnlich hat sich Abiy schon oft geäußert, letztlich war es immer gelogen. Hilfskonvois wurden behindert, die letzten Lieferungen erreichten Tigray im Dezember, obwohl weitere Genehmigungen vorgelegen haben sollen. Den Vereinten Nationen zufolge sind nur zehn Prozent der notwendigen Lebensmittel durchgedrungen, weil Lastwagen nicht passieren durften oder verschwanden. Wer dabei wen behindert, ist nicht immer klar. Der Krieg hat weitere Regionen erfasst, in Afar etwa kämpften die Truppen aus Tigray zuletzt gegen lokale Milizen, angeblich, um einen Hilfskorridor zu befreien.

Dennoch reagieren humanitäre Organisationen optimistisch auf die die Ankündigung, denn zum ersten Mal ist zur gleichen Zeit auch die gegnerische Seite für einen Waffenstillstand. Die Führung der Tigray stellt allerdings eine Bedingung: Wenn genügend humanitäre Hilfe eintreffe, um die Bedürfnisse vor Ort "innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens" zu befriedigen, dann werde man sich ebenfalls "für eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten einsetzen". Nun muss sich zeigen, wie groß der Wille auf beiden Seiten ist. Bis neue Hilfe im Norden des Landes ankommt, könnten viele Tage vergehen.

Allerdings könnte Ministerpräsident Abiy die Lage in Tigray auch schnell verbessern: Um wieder Handyverbindungen und Banktransfers zu ermöglichen, bräuchte es nur einen Knopfdruck. Seit Kriegsbeginn hat die Zentralregierung die Verbindungen gekappt. In weiten Teilen der Krisenregion hat sich eine Schattenwirtschaft etabliert, wichtige Güter müssen geschmuggelt werden, die Lebensmittelpreise sind um bis zu 400 Prozent gestiegen, die Felder sind zerstört. Mittlerweile sind offenbar so viele Tigray in andere Teile Äthiopiens geflüchtet, dass sich Abiy zumindest zu einem Waffenstillstand gezwungen sieht.

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