Süddeutsche Zeitung

Werbung:Ich, einfach verbesserlich

Lesezeit: 3 min

Selten war Werbung so platt wie heute, in den sozialen Netzwerken wimmelt es von Vorher-Nachher-Botschaften wie dieser: Mach den Popo deines Babys mit Mehrweg-Reinigungspads sauber, und du bist ein neuer Mensch. Was für ein Unsinn!

Von Barbara Vorsamer

Morgens aufwachen und ein neues Leben beginnen, ein neuer Mensch sein? Wer wünscht sich das nicht manchmal?

Selten bediente die Werbung dieses Bedürfnis so brachial wie derzeit. "Old me - new me", dieser Slogan begegnet einem ständig in Anzeigen auf Social Media. Das alte Ich (links) hatte noch herkömmlichen Honig gekauft, Süßigkeiten packungsweise wegschnabuliert, das Bad mit einem Reiniger aus der Sprühflasche geputzt und jeden Monat eine weitere, leere Deo-Dose in den gelben Sack geworfen. Das neue Ich (rechts) kann es besser. Der Honig ist supergesund und kommt vom maximal nachhaltigen Start-up, Putzmittel kauft das neue Ich im Seifenblock, Deo als Stick aus der pastelligen Pappschachtel und das neue Ich kann selbstverständlich auch problemlos Schokoladenpackungen nach einem kleinen Probierhaps zurück in die Schublade stecken. Schließlich hat es auf Instagram einen neuen Glaubenssatz gelernt: "Ich darf essen, was ich will" statt "Ich darf keine Süßigkeiten essen".

Zack, einmal so einen Post gesehen, schwupps, alle negativen Körperbilder und latenten Essstörungen über Bord geworfen, nur noch Nachhaltigkeit und Selbstliebe. Na ja, gut, das Programm, welches die Anzeige bewirbt, muss man schon noch mitmachen, kostet 109 Euro für vier Monate und das Abo verlängert sich danach automatisch.

Nun ist es natürlich kein neues Phänomen, dass Werbung einem mittels Produkten ein neues Leben verkaufen will - oder war es andersherum? Auch in den Achtzigern suggerierten TV-Spots, Mütter müssten lediglich eine Packung Knorrfix aufreißen, damit die Brut fröhlich die Terrassentür hereintollt und Paprika isst, ohne zu murren. Oder dass sportliche Frauen trotz nächtlicher Joghurette-Fressattacken immer noch super im Tennis-Dress aussehen - Hauptsache, die Schokolade schmeckt auch wirklich "leicht". Doch so platt wie heute "Old me - new me" über die Anzeige zu nageln und dann zu behaupten, dass Edelstahlrasierer oder Topfuntersetzer aus Kork nicht nur den Alltag erleichtern, sondern ganze Identitäten verändern, das hat sich Werbung früher nicht getraut.

In diesem Konglomerat der Selbstverbessungsbotschaften gehen die durchaus sinnvollen Hinweise, die auch unter der Rubrik "Old me - new me" verbreitet werden, leider unter, wie zum Beispiel der vom Apfel im Kartoffelsack. Während das alte Ich permanent Kartoffeln wegschmeißen muss, weil die mal wieder gekeimt haben, bewahrt das neue Ich die Kartoffeln zusammen mit einem Apfel auf - und das Problem ist gelöst. Früher stand sowas in Büchern mit Titeln wie "100 Tipps für Haushalt und Familie", aber das ist wirklich sehr old school.

Kauf weniger, kauf am besten gar nichts mehr - aber zuerst noch das hier

Klickt man sich ein paar Tage durch die Feeds, fällt auf: Zwar soll das neue Ich nach wie vor Zeugs kaufen, klar, der Kapitalismus lebt und strampelt. Weil aber heutzutage jeder schon alles hat und Minimalismus ein Trend ist, der sich mit der herrschenden Wirtschaftsordnung (Wachstum!) schlecht versteht, müssen die Kunden ausgetrickst werden. Die Message lautet heute: Kauf weniger, kauf am besten gar nichts mehr - aber zuerst noch das hier. Noch ein letztes Mal tief in die Tasche greifen und das Bienenwachstuch anschaffen, damit man nie wieder Frischhaltefolie braucht. Oder die Edelstahl-Eiswürfelförmchen, die den Ikeaschrott aus Silikon ersetzen sollen.

Bevor das ökologisch wertvolle Leben beginnen kann, steht daher noch ein Einkaufsmarathon an. Das Konzept, spätestens morgen endgültig mit dem Konsumieren aufzuhören, geht ganz schön ins Geld. Aber am Horizont die Fata Morgana des neuen Ichs, das nichts mehr braucht, weil es schon alles hat, aus Edelstahl, Kork und anderen nachwachsenden Rohstoffen, mehrfach verwendbar, abwaschbar, selbstgemacht.

Nur noch schnell die Waschies bestellen, bekannt aus der TV-Show "Die Höhle des Löwen". Bei denen handelt es sich um eine natürlich geniale Alternative zum umwelttechnisch fragwürdigen Wegwerf-Feuchttuch, es sind Mehrweg-Reinigungspads, die nur noch nass gemacht werden müssen, damit der Babypopo gesäubert werden kann. Kurz meint man sich zu erinnern, dass die Oma auch mal sowas hatte, stapelweise, nannte sie das nicht Waschlappen?

Und diese Blöcke, die so nassforsch als Duschstück und nachhaltige Alternative zum Duschgel beworben werden, sie erinnern einen sachte an, äh, wie hießen die Dinger? Ah ja, Seifen.

Egal, rein in den digitalen Einkaufswagen, und das neue Ich fragt sich ehrlich, wie es trotz all dieser Anstrengungen sein kann, dass die Müllmenge nicht wirklich sinkt und der Verpackungsmüll sogar noch steigt. Dass zum Beispiel die Starter-Geschenk-Box der Waschies nicht nur fünf Lappen, sondern auch ein Schnuffeltuch, ein Wetbag und ein Traubenkernkissen enthält, könnte ein Grund sein. Ein anderer ist, dass im selben Regal wie der Putzblock, von dem man sich plastikfrei Reinigungsmittel für die ganze Wohnung abhobeln könnte, neuerdings auch ein Zehnerpack Staubwedel aus Kunststoff liegt, die nach einmal Abstauben entsorgt werden müssen. Hautcreme gibt es portionsweise einzeln verschweißt in winzigen Alu-Ampullen. Und direkt neben dem ökologisch korrekten Deostick verkauft der Drogeriemarkt auch in Plastik verschweißte Tücher, mit denen man sich zwischendurch abtupfen soll - quasi das Feuchttuch für transpirierende Erwachsene.

Vielleicht könnte irgendein Start-Up auch für diese Probleme was Altes neu erfinden, eine morgendliche Dusche zum Beispiel, eine Creme im Glastiegel oder ein Staubtuch. Das Ich von übermorgen freut sich schon darauf.

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