Süddeutsche Zeitung

Petition gegen Werbung:Abfall im Briefkasten

Lesezeit: 2 min

28 Milliarden Werbeprospekte landen jährlich in den Briefkästen der Deutschen - und dann meist im Müll. Nun gibt es eine Petition, damit die Blättchen nur noch bekommt, wer es ausdrücklich will.

Von Veronika Wulf

Sie bemühen sich so sehr um Aufmerksamkeit, mit Signalfarben, Riesenbildern, "Top-Angeboten" und "Hammer-Preisen", und doch liest sie kaum einer: gedruckte Werbeprospekte. 28 Milliarden solcher Blättchen landen einer Untersuchung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zufolge jedes Jahr in deutschen Briefkästen, das entspreche mehr als einer Million Tonnen. In den Hauseingängen einiger Mehrfamilienhäuser stehen deshalb inzwischen Papierkörbe direkt unter den Briefkästen, damit die Reklame beim Postholen genau dort landet, wo sie die meisten Menschen haben wollen. Im Müll.

Um den großen Abfallberg einzudämmen, haben die DUH und der Verein Letzte Werbung vor einigen Wochen eine Petition gestartet, mit der sie erreichen wollen, dass nur noch die Haushalte Werbung bekommen, die sie auch ausdrücklich wünschen. "Führen Sie ein bundesweites Opt-in-System für unadressierte Werbepost ein!", fordern die Initiatoren von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, knapp 100 000 Unterstützer haben bislang unterschrieben. All jene, die die kostenlosen Heftchen erhalten wollen, sollten künftig einen Aufkleber mit "Werbung - Ja bitte" auf ihren Briefkasten kleben, so die Idee.

Bisher ist es so, dass Verteiler die Reklame in alle Briefkästen werfen dürfen, an denen kein Hinweis wie "Bitte keine Werbung" steht. Oft lande sie trotzdem darin, sagt Sebastian Sielmann, Vorsitzender des Vereins Letzte Werbung. "Uns werden ständig Verstöße gemeldet." Sielmann verweist auf eine repräsentative Umfrage im Auftrag der DUH, nach der zwei Drittel der Menschen die Prospekte nicht für zeitgemäß halten. 80 Prozent ärgern sich demnach über den Müll im Hauseingang. Zudem gäbe es Hausverwaltungen, die solche Aufkleber verbieten, weil sie das einheitliche Bild der Klingelschilder störten.

Menschen ohne Haustiere bekommen Hundefutterwerbung

"Wenn Ihnen jemand Werbung per E-Mail schicken will, müssen Sie auch vorher zustimmen", sagt Thomas Fischer, Leiter des Bereichs Kreislaufwirtschaft bei der DUH. Es sei nur konsequent, das auch für gedruckte Werbung einzuführen. Sielmann spricht gar von einer "Bevormundung" der Bürger. Menschen ohne Haustiere bekämen Angebote für Hundefutter, Stadtbewohner in Prenzlauer Berg Reklame für Gartenartikel. "Diese Art der Werbung ist sehr viel weniger effizient als Online-Werbung oder gezielt Adressierte Postsendungen", sagt Fischer.

Oft sind die bunt bedruckten Blättchen zudem in Plastik eingeschweißt, als ganzes Paket seien sie also sowohl in der Papiertonne als auch im gelben Sack falsch und würden deshalb oft verbrannt, sagt Recyclingexperte Fischer. Der Empfänger müsste sich also um die Mülltrennung von etwas kümmern, das er im Zweifel nie haben wollte. "Außerdem werden selbst bei großen Discountern nicht alle Prospekte aus Recyclingpapier hergestellt."

Am Freitag haben die Initiatoren die Petition an das Bundesjustizministerium übergeben. Grundsätzlich sei Postwurfwerbung "auch ohne ein vorheriges Einverständnis des Empfängers zulässig", teilt eine Sprecherin des Ministeriums auf Nachfrage mit. Die vorgeschlagene Opt-in-Variante hätte zwar den Vorteil, dass Abfälle vermieden werden könnten, würde jedoch die unternehmerische Freiheit beschränken. "Ob die Belange des Persönlichkeits- und Umweltschutzes einen solchen Eingriff rechtfertigen könnten, wirft eine Reihe von Abwägungsfragen auf." Vor allem für Unternehmen aus der örtlichen Umgebung stellten die Prospekte "ein wichtiges Instrument der Absatzförderung" dar. Deshalb sehe man im Moment keinen Handlungsbedarf.

In Amsterdam gilt die Regelung schon

Fraglich bleibt zudem, ob sich die - häufig nach Stückzahl bezahlten - Austräger, die sich bisher über "Nein danke"-Aufkleber hinwegsetzten, die Blättchen nicht auch nach der neuen Regelung in die "falschen" Briefkasten werfen würden. "Verstöße müssen natürlich mit einem Bußgeld geahndet werden", fordert Fischer. Er verweist auf die niederländische Hauptstadt Amsterdam, die das Opt-in-System 2018 eingeführt hat und dadurch jährlich 6000 Tonnen Papier und rund 700 Fahrten der kommunalen Müllabfuhr einspare. Allein wegen der Produktionskosten hätten die Unternehmen ein Interesse daran, dass dies nicht massenhaft geschehe.

Wer sich papierfrei darüber informieren will, dass die Hähnchen-Minutenschnitzel statt billiger 2,90 Euro "für kurze Zeit" nur noch superbillige 2,20 Euro kosten, kann das übrigens längst auch online tun, sogar im selben Layout. Das ist mitunter jedoch kein Lesevergnügen, weil über, unter und neben der Werbung ständig, nun ja, noch mehr Werbung aufploppt.

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