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Fahrverbote in Tirol:"Momentan findet nur Symptombekämpfung statt"

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Von Samstag an gelten in Tirol an Wochenenden wieder Fahrverbote auf Ausweichstrecken. Wie sinnvoll sind sie?

Interview von Dominik Prantl

Wie schon im Sommer will die Tiroler Landesregierung auch im Winter mit Fahrverboten versuchen, den Ausweichverkehr einzudämmen. Durchreisende sollen so lange wie möglich auf der Autobahn bleiben. Verkehrswissenschaftler Georg Hauger hält die Straßensperren in Tirol für eine Notwehrmaßnahme, aber nicht für eine langfristige Lösung.

SZ: Herr Hauger, braucht es die Fahrverbote Ihrer Meinung nach?

Georg Hauger: Am Brenner sieht man, dass es für Autofahrer gleich mehrere Gründe gibt, die Autobahn zu meiden: Erstens die Mautgebühren, zweitens ein möglicher Stau auf dem Brenner, was dazu führt, dass viele - drittens - einfach dem Navi folgen. Tatsächlich braucht es die Sperren daher als eine Art Notwehrmaßnahme des Landes, um die große Masse auf der Autobahn zu halten. Es gibt dafür auch die rechtliche Grundlage.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sieht das offenbar anders. Er hat im Oktober sogar vom Skiurlaub in Österreich abgeraten.

Ich verstehe die Befindlichkeiten, sie sind nur nicht zielorientiert. Das ist mehr ein verbales Wettrüsten, bei dem es um Wählerstimmen geht. Dass sich Herr Söder aufregt, zeigt aber, dass die Verbote vielleicht für die Anwohner eine gute Maßnahme sind, aber keine ideale Lösung.

Was wäre denn eine bessere Lösung?

Eine Lösung könnte tatsächlich eine Kilometer-abhängige Maut wie in Italien sein. Eine andere wäre eine Mautbefreiung oder -senkung an verkehrsintensiven Tagen, um die Fahrer auch im Stau auf der Autobahn zu halten. Wobei das dazu führen könnte, dass diese Tage erst recht Verkehr anziehen. Zu überlegen wären auch Fahrspuren, die nur von Autos mit mehreren Passagieren befahren werden dürfen, wie in den USA. Die Schweizer sind einen anderen Weg gegangen, als sie vor 20 Jahren bewusst viel in die Bahn investiert haben.

Fahrverbote reichen also nicht, um dem Verkehr in den Alpen beizukommen?

Verbote sind überhaupt die stärkste Maßnahme. Momentan findet nur Symptombekämpfung statt. Wenn das langfristig so bleibt, kann es zu Struktureffekten kommen, dass sich beispielsweise Unternehmen aus diesen verkehrsbelasteten Bereichen zurückziehen.

Als Skifahrer stellt man ohnehin häufig fest, dass weniger die großen Transitstrecken, sondern eher die verstopften Täler das Problem sind.

In der Tat. Mein Lieblingsbeispiel ist hier Zermatt, das damit wirbt, autofrei zu sein. Bis man jedoch dort ist, fährt man durch ein Tal mit mehreren Dörfern, um dann in einem vierstöckigen Parkhaus im Ort davor zu parken. Ähnlich ist das im Kleinen bei vielen Hotelbetreibern, die zwar Parkplätze zur Verfügung stellen können. Hinkommen müssen die Gäste aber trotzdem.

Sind da nicht auch manche Tourismusorte oder Bergbahnen in der Pflicht, sich Verkehrskonzepte zu überlegen?

Es gibt hier tatsächlich ein Umdenken, weil die Regionen selbst unter den Automassen leiden. Zudem löst die Umweltbewegung einen gewissen Druck aus. Manche Hotelbetreiber etwa bieten Shuttles an und versuchen, die Leute zum Bahnfahren zu bewegen. Skigebiete können wiederum alleine über Preise der Tagesskipässe steuern, ob das Gebiet für Tagesgäste überhaupt interessant ist. Man könnte auch behördliche Verfahren an Zugeständnisse koppeln und sagen: Diese Skigebietserweiterung gibt es nur, wenn eine neue Buslinie eingerichtet wird. All das dauert aber ein paar Jahre, bis es sich durchsetzt.

Ist das Autofahren für radikalere Lösungen vielleicht einfach noch zu billig?

Ich würde sagen: ja. Wobei der Verkehr - auch der öffentliche - generell zu billig ist, wenn man Kostenwahrheit einfordert. Bislang ist es ja so, dass ein Teil der Kosten von der Allgemeinheit getragen wird, etwa Lärm, Luftverschmutzung oder Ausgaben für Polizei, Feuerwehr oder Rechtsprechung, also die Verkehrssicherheit.

Nur ist Daheimbleiben auch keine Lösung, oder?

Es ginge mehr darum, von alten Gewohnheiten abzurücken und sich vor jeder Reise zu überlegen, ob es sinnvoll ist, sich wieder am Samstag ins Auto zu setzen. Man kann ja auch antizyklisch unter der Woche fahren. Oder den Zug nehmen.

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Quelle:
SZ vom 20.12.2019
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