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Popmusik:Taylor Swift covert ihre eigenen Songs

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Was klingt wie durch die Umstände erzwungenes Corona-Cocooning, ist in Wirklichkeit Ergebnis eines komplizierten Rechtsstreits. Und die Sängerin hat schon oft bewiesen, dass sie mehr kann als Mainstream-Pop.

Von Oliver Klasen

Die Seuche, die erzwungene Nähe in den Wohnungen, all das kann auch kreativer Katalysator sein. Wäre nicht das erste Mal, dass aus der Krise Kunst erwächst. Was aber, wenn man, wie die US-Sängerin Taylor Swift, 30, das Lebensgefühl der Pandemie-Zeit transportierende Album längst aufgenommen hat? "Folklore" kam Ende Juli heraus, eine Kooperation mit Aaron Dessner, dem Songwriter der Indierock-Band The National, was man deutlich hört. Wenig Tempo, viel Piano und ein melancholischer Schleier, der sich über die Songs zu legen scheint. Lockdown perfekt genutzt also.

Doch nun will Swift sämtliche ihrer alten Songs noch einmal neu aufnehmen. "Aufregend und schöpferisch erfüllend" sei das, schrieb sie am Montag auf Twitter. Könnte das eine Wiederaufnahme des erzwungenen Pandemie-Cocooning sein, jetzt, wo die dritte Welle die USA mit aller Gewalt trifft ? 82 Songs plus Bonustracks neu einspielen - so kann man einen Corona-Winter schon rumkriegen.

Doch es geht in dieser Sache nicht um Vorbereitungen für ein Best-of-Album, sondern um einen komplizierten Rechtsstreit. Swifts Antagonist in diesem Streit ist der Musikmanager Scooter Braun, mit dem sie schon seit Langem verfeindet ist, anders kann man das nicht ausdrücken. Braun hat Swifts altes Plattenlabel Big Machine Records im vergangenen Jahr gekauft und damit auch die Rechte an ihren Songs. "Mein Worst-Case-Szenario", wie die Sängerin schon damals sagte. Inzwischen seien die Rechte an eine Investorengruppe weitergereicht worden, schreibt Swift auf Twitter, ein zweiter Verkauf ohne ihre Mitsprache also. Und die einzige Möglichkeit zu verhindern, dass Braun weiter Geld an ihren Songs verdient, sei eben, sich selbst zu covern.

Eine jahrelange Fehde pflegte Swift mit dem Rapper Kanye West

Dass Taylor Swift vehement für ihre Rechte eintritt und dabei auch die Macht ihrer 140 Millionen Instagram-Abonnenten und 87 Millionen Twitter-Follower einzusetzen weiß, hat sie schon oft beweisen. 2015 schrieb sie - unter der Überschrift "To Apple, Love Taylor" - einen offenen Brief an Apple und protestierte gegen die Pläne des Konzerns, Songs in seinem damals neuen Streamingdienst für drei Monate kostenlos anzubieten. Nur wenige Stunden später revidierte das Management den Schritt. Eine jahrelange Fehde pflegte Swift zudem mit dem Rapper Kanye West, der einst während einer Dankesrede von Swift auf die Bühne gestürmt war und gesagt hatte, dass Beyoncé den Preis hätte gewinnen müssen. Und mit Sängerin Katy Perry, die Swift drei Tänzer abgeworben hatte, lag sie auch schon im öffentlichen Clinch.

Geboren wurde Swift 1989 in Reading im US-Bundesstaat Pennsylvania. Schon als Kind wollte sie Musikerin werden, mit nicht einmal 14 bekam sie ihren ersten Plattenvertrag. Als ihr Vater, ein Investmentbanker, bemerkte, wie ernst es seiner Tochter mit der Musik war, zog die Familie in die Country-Hochburg Nashville in Tennessee um. Anfangs bewegte sie sich in der Country-Szene, sang Songs über verflossene Liebschaften und Kleinstadt-Sehnsüchte. Doch schon damals, lange bevor sie zwischen 2010 und 2016 zehn Grammys gewann und in einer Liga mit Britney Spears, Madonna und eben Beyoncé spielte, waren in ihren Texten Zwischentöne zu vernehmen. Schon damals war erkennbar, dass Swift, die ihre Songs selbst schreibt, mehr kann als naiven Mainstream-Pop.

Bei Auftritten zeigte sich Swift in den vergangenen Jahren mehr und mehr als Feministin und Fürsprecherin der LGBTQ-Bewegung. Im Streit mit Apple kämpfte sie nicht nur für sich, sondern für alle Musiker, die im Zeitalter des Streamings mit ihren Songs kaum mehr Geld verdienen. Und ihr bisher letztes der insgesamt acht Alben fügt ihrer Kunst eine völlig neue Facette hinzu. Taylor Swift hat sich von Jahr zu Jahr weiterentwickelt, musikalisch, menschlich, selbst in diesem seltsamen 2020, in dem alles stehenbleibt.

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