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SZ-Kolumne "Bester Dinge":Volksmund tut Wahrheit kund?

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Nach dem Essen sollst du ruh'n oder tausend Schritte tun, heißt es. Die Wissenschaft ist da anderer Ansicht. Über Sprichwörter und ihren Wahrheitsgehalt.

Von Veronika Wulf

Nach dem Essen sollst du ruh'n oder tausend Schritte tun, heißt es. Dass man nach dem Essen eher nicht ruhen sollte, außer man hat Lust auf Sodbrennen, haben schon viele Mediziner betont. Doch auch tausend Schritte müssen es nicht sein, legt eine Metaanalyse im Fachjournal Sports Medicine nahe. Demnach reichen schon zwei Minuten langsames Gehen nach einer Mahlzeit, um den Blutzuckerspiegel zu senken und zu einem gesunden Herz beizutragen. 1000 Schritte in zwei Minuten wären jedoch ein Sprint.

Da der Volksmund selten empirische Belege sammelt, bevor er spricht, überprüft die Wissenschaft ihn ganz gerne. So fanden Forscher der University of Michigan heraus, dass an apple a day den doctor nicht away hält, Apfelesser gingen nämlich genauso oft zum Arzt wie Nichtapfelesser. Geteilte Freude ist aber, Sozialpsychologen der University of Texas zufolge, tatsächlich doppelte Freude. Dass Geld nicht glücklich macht, wird in regelmäßigen Abständen wissenschaftlich bestätigt oder widerlegt, je nach Studiendesign und Definition. Und dass alte Liebe durchaus rosten kann, zeigt ein Blick in die Scheidungsstatistik.

Das Sprichwort "Kindermund tut Wahrheit kund" dagegen kann man auch ohne die wissenschaftliche Erkenntnis bezweifeln, dass Kinder ab vier Jahren bewusst und vorher unbewusst lügen (können). Und ob man die Weisheit "Morgenstund hat Gold im Mund" für bare Münze hält, hängt wohl nicht nur von der eigenen Vorliebe für schiefe Metaphern ab, sondern auch von Charakter und Gewohnheiten (und der Menge der alkoholischen Getränke am Vorabend).

Anders gesagt: Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt, wie's ist. Um das zweifelsfrei zu belegen, bedarf es jedoch noch weiterer Studien.

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