Süddeutsche Zeitung

US-Buchstabier-Wettbewerb:Hokuspokus, F-i-d-i-b-u-s

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Elf Millionen Kinder machen mit beim Spelling Bee, der US-Meisterschaft im Buchstabieren. Das Finale wird im Sportfernsehen zur besten Sendezeit gezeigt. Aus gutem Grund.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Murraya ist also das entscheidende Wort, und die 14-jährige Zaila Avant-garde ist sich ihres Sieges schon sicher. Sie lächelt und fragt die Juroren im Scherz, ob dieses Wort mit dem Nachnamen des Schauspielers Bill Murray zu tun habe. Nein, freilich nicht, was die Richter ihr allerdings als Hinweis geben: tropische Bäume in Australien und Asien; gefiederte Blätter und geschuppte Blüten; der Begriff leitet sich von einem schwedischen Namen ab. Zaila Avant-garde sagt also am Ende der 17. Runde, sie ist mittlerweile die Einzige ohne Fehler: "M-u-r-r-a-y-a. Murraya." Auf Deutsch: Orangenrauten.

Avant-garde ist die Siegerin des "Spelling Bee", den es in den USA seit 1925 gibt und der auf dem Sportkanal ESPN 2 zur besten Sendezeit gezeigt wurde. Bei der Veranstaltung, an der heuer etwa elf Millionen Kinder teilgenommen haben, handelt es sich keinesfalls um einen elitär-bildungsbürgerlichen Buchstabierwettbewerb. Es gibt in den USA etwa 43 Millionen Menschen, die nicht lesen und schreiben können, das sind mehr als 20 Prozent aller Erwachsenen. Der Spelling Bee ist seit knapp 100 Jahren ein Ansporn für Kinder, sich mit Buchstaben, aber auch mit der Bedeutung von Wörtern zu beschäftigen. Das ist einer der Gründe, warum Millionen Menschen zuschauen, und warum auch Lehrerin und First Lady Jill Biden eine kurze Ansprache hielt, um den Kindern Komplimente zu machen.

Chefjuror Jacques Bailly, der den Wettbewerb 1980 gewonnen und später an der Cornell University in Philosophie über Plato promoviert hat, liest ein Wort vor. Den Regeln zufolge hat eine Teilnehmerin nun zwei Minuten Zeit, diesen Begriff korrekt zu buchstabieren. Sie darf sich die Bedeutung des Wortes vorlesen lassen, die Herkunft erfragen und auch nach Aspekten wie Aussprache oder Wortstämmen fragen. Das macht es für die Leute daheim so spannend. Ein Beispiel aus der deutschen Sprache: Diskothek. Eine Teilnehmerin könnte nun fragen, ob der erste Teil des Wortes mit dem lateinischen Begriff "discus" zu tun habe - ja, hat er, er kam aber, auch das erfragt man am besten, übers Französische ins Deutsche. Daher ist das "u" nun ein "o", das "c" ein "k". Das Suffix "-thek" stammt aus dem Griechischen (thēkē, auf Deutsch: Behältnis) - aus diesem Grund also bitte das "h" nicht vergessen.

Gewinnerin ist Multitalent

So tüfteln die Teilnehmerinnen über die Schreibweise, die Leute daheim tüfteln mit wie bei einer Quizsendung. Die englischen Wörter der letzten Runde: fewtrils (etwas von geringem Wert), retene (kristalliner Kohlenwasserstoff), neroli oil (duftendes blassgelbes ätherisches Öl). Daran scheiterte die Zweiplatzierte Chaitra Thummala.

Zaila Avant-garde, die übrigens auch drei Mal im Guinness-Buch der Rekorde vermerkt ist für ihre Dribbelkünste beim Basketball und später entweder Profisportlerin oder Ingenieurin bei der Weltraumbehörde Nasa werden will, ist die erste afroamerikanische Gewinnerin. Kein Junge schaffte es unter die ersten drei. Auch deshalb ist dieser Wettbewerb derart beliebt. Niemand hat einen Vorteil aufgrund von Geschlecht, Größe, Hautfarbe. Was es braucht: eine Leidenschaft für Wörter.

Dabei sei ihre wahre Leidenschaft eigentlich Basketball, sagte Avant-garde. Sie denke aber "sieben Stunden am Tag an Wörter." Einen Begriff deutscher Herkunft musste sie übrigens auch lösen: Fidibus. Kennt wohl jeder, von Hokuspokus und so. Aber nicht jeder weiß, was es eigentlich ist: eine Anzündhilfe aus einem harzreichen Holzspan.

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