Süddeutsche Zeitung

Bayerischer Großelterntag:Glückwunsch, Oida!

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Kaum eine Bevölkerungsgruppe ist vor Markus Söders Umarmungen sicher. Nun ehrt Bayerns Ministerpräsident auch noch: die Großeltern. Das beschert dem früheren "fränkischen Popper" ungeahnte Sympathien.

Glosse von Martin Zips

Am Sonntag darf die bayerische Bevölkerung erstmals den kürzlich von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ausgerufenen "Großelterntag" begehen. Wobei, in manchen Teilen Deutschlands ist der zweite Sonntag im Oktober ja schon längst als sogenannter "Oma-Tag" bekannt, in Polen existiert ein solcher sogar seit mehr als fünf Jahrzehnten (gefeiert wird immer am 21. Januar) und in Frankreich gedenkt man seit 1987 immer Anfang März seiner grand-mère. In Deutschland ist man der Meinung, dass man Omas am besten im Herbst ehrt, wenn das fahle Laub schon massenhaft von den Bäumen fällt.

Söder kommt nun immerhin das Verdienst zu, in seinem Bundesland auf den Oma-Tag zusätzlich noch einen Opa-Tag draufzupacken (Staatskanzleichef Florian Herrmann: "Eine wirklich sympathische und wichtige Entscheidung"). Aber, natürlich, Großeltern-Tage gibt es auch schon in vielen Ländern. In Italien zum Beispiel, Japan, den USA oder Singapur. Trotzdem: super Idee. Und warum sollte es nur dabei bleiben? Kaum eine Bevölkerungsgruppe im Freistaat ist vor Söders Umarmungen sicher - da dürften weitere Ehrentage für Schülerlotsen, Sandmännchen, Eishockeyspielerinnen, Milchköniginnen oder TV-Mainzelmännchen bereits beschlossene Sache sein.

Auch mit 64 Jahren kann man noch ungeheuer nützlich sein

Doch nun erst mal die Großeltern. Lange galt die ältere Generation ja wegen ihrer politisch mitunter recht kontaminierten Vergangenheit als nur wenig feiernswert. Seit einigen Jahren aber handelt es sich bei Großeltern meist um graue Langhaarige in zerrissenen Jeans, die in ihren Wohnzimmern weiterhin Elektrogitarren schrubben oder sich neben ihren Enkelkindern auf Instagram in Sneakers zeigen. Diese Großeltern beherrschen zwar kein Business-Englisch, reißen aber gerne unanständige Witze, was für sie Ausdruck einer heiteren Lebenshaltung ist.

Hatte ein traditioneller bayerischer Opa früher noch bis zu 21 Enkel, so verfügt der heutige Enkel über bis zu 21 Patchwork-Opas, was einen Ehrentag zum besseren Kennenlernen nur sinnvoll macht. Man sollte also hoffen, dass noch weitere Bundesländer dem Vorstoß Söders folgen. Denn, so heißt es schon bei den Beatles, auch mit 64 Jahren kann man noch ungeheuer nützlich sein, etwa, wenn es um ein bisschen Spaß, das Auswechseln elektrischer Sicherungen oder das Stricken von Pullovern vor dem Kamin geht. Da nehmen es einige beruflich sehr angespannte Mütter und Väter sogar in Kauf, dass ihre Death-Metal-Eltern im Jahr 2019 überraschend den Söder, 52, loben. Obwohl sie den vor ein paar Jahren noch als fränkischen Popper beschimpft haben.

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Quelle:
SZ vom 12.10.2019
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