Süddeutsche Zeitung

Beruf und Familie:Danke, Papa

Lesezeit: 2 min

Sebastian Kurz und Gernot Blümel wollen sich jetzt mehr um ihre Familien kümmern. Ach, wenn die nur wüssten!

Von Martin Zips

Es gibt wahrscheinlich nichts, mit dem man als Erziehungsberechtigter und Ehepartner seine Familie glücklicher machen kann, als mit dem Satz: "Ich bin jetzt mehr für Euch da." Also im Home-Office zum Beispiel, wo es Sohn oder Tochter natürlich sehr schätzen, wenn Vater oder Mutter ihnen ganz nahe sind oder eine Runde durch den Flur staubsaugen. Auch im beruflichen Leben besitzt eine Aussage wie "Ich möchte mich in Zukunft wieder mehr um meine Familie kümmern" eine ungeheure Strahlkraft. Sofort ist alles, was früher einmal war, vergessen. Und selbst der lästigste Kollege aus der Morgenkonferenz wächst einem sofort ans Herz.

Zuletzt haben der österreichische Finanzminister Gernot Blümel und sein ehemaliger Bundeskanzler Sebastian Kurz öffentlich ihren Familiensinn beschworen. Als Begründung für ihre Rücktritte. Blümel ist im März 2020 erstmals Vater geworden, seine Frau, so berichtete etwa der Standard, schob neben der gemeinsamen Tochter in der heißen Ermittlungsphase der Korruptions-Staatsanwaltschaft gerne auch mal Papas Laptop im Kinderwagen um den Block. Und nun erklärte Blümel: "Ich habe mich dazu entschieden, die Politik zu verlassen. Vor allem für meine Familie."

Sebastian Kurz wiederum, gerade noch ÖVP-Chef, postete vor wenigen Tagen - offenbar noch aus dem Kreißsaal - ein sehr nettes Foto, auf welchem zwei Hände (anscheinend die von seiner Lebensgefährtin Susanne Thier und die seines Neugeborenen Konstantin) eine weitere Hand (wahrscheinlich seine) fest umklammern. Am vergangenen Donnerstag dann erklärte der ehemalige Polit-Star auf einer Pressekonferenz: "Ich freue mich auf Zeit mit meinem Kind und meiner Familie, bevor ich mich im neuen Jahr neuen beruflichen Aufgaben widmen werde."

"Weniger Drama, mehr Mama"

Ähnliches gab es zuletzt freilich auch von Mark Zuckerberg auf dem Weg in die Elternzeit zu hören ("Studies show that when working parents take time to be with their newborns, outcomes are better for the children and families"), sowie von Toni Kroos beim Abschied aus der Fußballnationalmannschaft ("Und außerdem möchte ich auch mehr als Ehemann und Papa für meine Frau und meine drei Kinder da sein" ) oder von Polit-Profis wie Donald Trumps ehemaliger Sprecherin Kellyanne Conway ("Weniger Drama, mehr Mama"). Wenn man das so hörte, dachte man: "Verdammt, die haben recht."

Andererseits: Gerade jetzt, wo doch jeder weiß, wie sehr man daheim anderen auch mal im Weg steht, könnte man sagen: "Ach, komm. Das sind doch alles Ausreden." So wie bei diesem früheren Chefredakteur eines deutschen Boulevardblatts, bei dem es dieser Tage auf Twitter fast ein bisschen klang, als sei er quasi das Opfer von Impfpflicht-Befürwortern geworden, nicht seiner Hormone.

Aber gut. Vielleicht ist der eine oder andere ja wirklich überzeugt, von den höheren Zielen seiner Existenz und Unverzichtbarkeit am Küchenregal. Von Selbstaufgabe und Opferbereitschaft, von Fürsorge und Empathie. "Ich bin jetzt mehr für Euch da." Danke, Papa.

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