Süddeutsche Zeitung

Philippinen:Das Paradies hat vorerst geschlossen

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Urlauber dürfen die philippinische Ferieninsel Boracay in den kommenden Monaten nicht betreten. Präsident Duterte persönlich hat es verboten, weil er erst mal aufräumen und sanieren will. Die Bewohner sind entsetzt.

Von Arne Perras, Singapur

Wenn mehrere Hundertschaften Polizei am Strand aufmarschieren, mit Helmen auf dem Kopf und Schlagstöcken in der Hand, muss wohl etwas faul sein im Paradies. Die Ferieninsel Boracay auf den Philippinen erlebt gerade einen solchen Aufmarsch der Staatsmacht. In seiner Dimension dürfte er einmalig sein. Strände, Hotels, Restaurants, Tauchshops, Vergnügungsparks, sie alle müssen ab diesem Donnerstag, schließen. 600 Polizisten sollen die Inselblockade durchsetzen, falls sich nun doch Widerstand regt.

Urlauber aus aller Welt dürfen Boracay vorerst nicht mehr betreten, weil Präsident Rodrigo Duterte das so befohlen hat. Der Staatschef ist wütend über die Zustände auf Boracay, und die hat er auch so derb geschildert, dass es alle auf den Philippinen mitbekommen haben: Boracay sei zu einer "Klärgrube" verkommen, ätzte der Präsident. Deshalb müssten jetzt erst mal Reinigungs- und Bautrupps ausrücken, um die Kloake zu beseitigen.

Nun sind die Bürger deftige Worte ihres Präsidenten schon längst gewöhnt, dennoch provozierten Dutertes Tiraden in diesem Fall doch Erstaunen. Sprach er tatsächlich über jene kleine Insel, die sonst immer als strahlende Perle der Philippinen gepriesen wird? Offenkundig rechnete der Präsident nun mit dem Postkartenidyll Boracay ab, das so viele in ihren Bann zog, auch und gerade jenseits der Grenzen. Als Sehnsuchtsort für Sonnenhungrige hatte die kleine Tropeninsel 300 Kilometer südlich von Manila schon viele regionale Konkurrenten aus dem Feld geschlagen. Boracay war der Urlaubsrenner in Asien. Und die Insel lockte auch Jahr für Jahr Zehntausende Europäer und Amerikaner an.

Waren es vor 15 Jahren noch 250 000 Besucher, kamen 2017 ganze 2,1 Millionen, um sich auf die Sonnenstühle im Sand zu fläzen - und natürlich auch, um in den Buchten zu baden. Womit man wieder beim Thema ist. Denn Dutzende Hotels, Restaurants und Geschäfte auf Boracay sollen ihre Abwässer jahrelang weitgehend ungeklärt ins Meer geleitet haben. Besonders unappetitlich wirkte zuletzt ein Video vom Bolabog Beach, der bei Kite-Surfern beliebt ist. Darauf war zu sehen, wie sich schwarze Brühe aus einem Abwasserrohr ins flache Wasser ergoss, während man dahinter Urlauber über die Wellen flitzten sah.

Umweltminister Roy Cimatu erklärte, dass sich die bedrohlichen Wasserwerte, die am Surferstrand gemessen wurden, zuletzt schon erheblich verbessert hätten. Nach Entwarnung klang das aber nicht, weil die Belastung mit Bakterien immer noch sechsmal so hoch war wie der Wert, der für sicheres Schwimmen empfohlen wird. Der Minister versicherte, die Regierung fahnde weiter nach all den Umweltsündern, die ihre Abwässer über versteckte Rohre ins Meer leiteten.

In den kommenden Monaten sollen nun die Bagger arbeiten, Häuser und Betriebe an Kläranlagen anschließen und auch viele Bauten abreißen, die ohne Genehmigung hochgezogen wurden. Duterte erscheint entschlossen, seinen harten Kurs durchzuziehen, er hat die Schließung für sechs Monate angeordnet. Lediglich jene Feriengäste, die ihren Urlaub schon vor dem 26. April angetreten hatten, dürfen noch bleiben. Neue Gäste werden abgewiesen.

So sehr viele Philippiner es jetzt begrüßten, dass der Staat bei Umweltsündern hart durchgreift, so irritiert sind doch auch manche über die Widersprüche, die Dutertes Politik erkennen lässt. Einerseits setzt er das Signal, dass Boracay dringend gesunden müsse, andererseits hatte er offenbar keine Skrupel, den Plan für ein Mega-Casino abzusegnen, das ein Großinvestor aus Macao für 500 Millionen Dollar auf Boracay aus dem Boden stampfen will. Sieht so Entlastung für die Insel aus? Eher dürften die weiteren Großinvestitionen zum Gegenteil führen.

Wie es erst mal weitergeht? Die meisten der 30 000 Bewohner auf der gerade einmal zehn Quadratkilometer großen Insel haben keine Ahnung, so wie Rebecca Baco, die einem Reporter auf der Insel erzählte, dass dies der schlimmste Moment ihres Lebens sei. "Es ist, als habe uns ein Super-Taifun getroffen", sagte die Frau, die einen Grillplatz am Strand betreibt. Keine Touristen, kein Einkommen, so einfach ist das.

"Wir haben in jedem Fall genügend Männer", versichert der Polizeisprecher

Deshalb hätten es viele auch gut gefunden, wenn der Staat die Betriebe auf der Insel in mehreren Phasen nacheinander geschlossen hätte, anstatt einen brachialen Totalstopp zu verhängen. Außerdem verstehen viele nicht, warum nun alle büßen sollen für die Sünden einiger Betrüger und korrupter Seilschaften, die ihre Insel ruinieren. Viele ärmere Leute werden nun ihr Glück anderswo suchen müssen, sechs Monate sind eine lange Zeit, wenn man nichts zurücklegen konnte. Duterte verspricht Hilfe aus einem 40-Millionen-Notfallfonds, aber keiner weiß, wer etwas bekommen soll, wann und wie.

Duterte, den sie den "Vollstrecker" nennen, lässt sich von Klagen kaum beeindrucken. Hat sich der Präsident erst einmal etwas in den Kopf, zieht er es durch und hört nicht mehr auf Ratschläge anderer. Statt der Urlauber sind nun also Polizisten aufmarschiert. Sie haben ihre Befehle und treten martialisch auf. Bei einer Übung haben sie schon mal vorsorglich den Strand besetzt und mit ihren Schlagstöcken und Schutzschilden eine Horde von schauspielenden Aufständischen unter Kontrolle gebracht. Nur als Warnung, falls sich einige verzweifelte Insulaner doch noch zum Protest zusammenfinden sollten. "Wir haben in jedem Fall genügend Männer", versicherte Polizeisprecher Jesus Cambay.

Aber eigentlich will gar keiner randalieren auf Boracay. Sie wollen nur ihre Touristen zurück. Das kann jetzt dauern, nach dem Sündenfall im Paradies.

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