Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in...":Und es war Sommer

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In Istanbul findet ein letztes Tänzchen im Sand statt, auf Spiekeroog kapern Rentnerinnen einen Strandkorb und in München verhindert ein Stelldichein eine Busfahrt.

Mitten in ... Istanbul

Noch einmal ans Schwarze Meer, bevor dieser Sommer auch in Istanbul ganz verlischt. Am Strand stehen die weißen Plastikliegen vorbildlich mit Sicherheitsabstand. Der Streit des Paares fünf Meter weiter rechts über Kindererziehung ist trotzdem unüberhörbar. Jetzt plärrt auch der Kleine, inmitten der Zankerei. Links: Zwei junge Bikini-Trägerinnen, tropfnass vom Bad in den Wellen, holen Bierflaschen aus ihren Taschen. Eigentlich darf man nur Speisen und Getränke aus der Strandbar verzehren, schließlich wollen die auch noch was verdienen. Ein missmutig blickender Kellner aber bleibt auf Corona-Abstand. Eine der beiden Frauen fängt an zu singen, erst leise, dann lauter, ein türkisches Liebeslied. Die Streitenden sind endlich still. Dann stehen die beiden Frauen auf, sie tanzen im Sand. Es sollte immer Sommer bleiben. Christiane Schlötzer

Mitten in ... Spiekeroog

Die Welt ist in Ordnung auf der Insel Spiekeroog vor Ostfriesland. Es gibt Bänke und Bollerwagen für alle. Haustüren fallen nicht einfach ins Schloss, man müsste sie aktiv abschließen, was kaum einer tut. Schließlich hat der Dorfpolizist so wenig zu tun, dass man ihn vor der Wache die Grashalme einzeln schneiden sieht. Das fordert die kriminelle Energie einer Gruppe Oberbayerinnen heraus. Die Rentnerinnen in den vier Strandkörben tragen teure Sonnenbrillen, lesen die Süddeutsche Zeitung und glauben, niemand verstünde hier Bairisch. "Guad", dass man den "Koab" nicht namentlich online gebucht habe, ruft eine. Wer an Ort und Stelle nur für einen Tag zahle, könne den pfandfrei überlassenen Schlüssel ja einfach behalten und die nächsten Tage umsonst Platz nehmen. Zustimmung: "So mach' mer des." Die Insulaner sind offenbar zu gut für diese Welt. Kia Vahland

Mitten in ... München

Das Hotel im Münchner Industriegebiet, Wohnort während des Praktikums, ist recht hübsch gestaltet, nur so etwas wie ein Restaurant fehlt. Die beste Option, wenn der Partner zu Besuch kommt, bleibt deshalb eine Bank an der Bushaltestelle. Sie liegt ein bisschen abseits, so ganz für sich lässt es sich ungestört reden, eigentlich sogar besser als in jeder Hotelbar. Der Zweckbauten-Charme der Umgebung wirkt in der Dämmerung sogar schwer romantisch. Einzig der Bus stört. Als Bankbesetzer führt man die Busfahrer ungewollt in die Irre: Der Bus muss ein paar Mal umsonst anhalten. Also winkt man die nächsten Busse vorbei, sobald man sie von Weitem kommen sieht. Das geht so lange gut, bis man merkt, dass neben einem auch Fahrgäste gewartet haben. Zu intensive Gespräche können lästig sein - zumindest für die anderen. Cristina Marina

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