Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in ...":Extrawurst mit Charme

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Der SZ-Autor besucht nach einem Jahr Corona-Pause endlich mal wieder Salzburg - und findet gute Laune dort, wo er sie am wenigsten vermutet hätte. Drei Anekdoten aus Österreich, Deutschland und Italien.

Mitten in ... Salzburg

Donnerstagmorgen am Salzburger Schrannenmarkt, die Einheimischen sind fast unter sich. Einige Jungspunde nagen am Backhendl und spülen mit sehr frühem Bier nach. Corona hatte die Grenze ja ziemlich dicht gemacht, aber jetzt geht es endlich wieder, und so bahnt man sich nach einem Jahr Salzburg-Abstinenz den Weg zum Wurstmann des Vertrauens. Alter: siebzigirgendwas. Gesicht und Hände erinnern in Farbe und Beschaffenheit an seine Kaminwurzen. Er wirkte damals, vor Corona, stets wie einer, der zum Lachen ins Räucherkammerl geht. Knurrig, wortkarg. Aber nun: Überraschung. Hinter seiner Maske zeichnet sich ein Lächeln ab. Ungefragt greift er zu den Lieblingswürsten des Kunden. Wo der Deutsche eigentlich herkomme, will er wissen. Und dann sagt er noch: "Schön, dass du da bist." Und packt eine Wurst mehr ein. Oliver Das Gupta

Mitten in ... Ferrara

Ferrara ist das Münster Italiens: eine Fahrradstadt mit vielen Studenten und gut ausgebautem Wegenetz. 90 Prozent der Einwohner besitzen mindestens ein Rad, viele sogar drei. Wie viele Hunde pro Einwohner in Ferrara leben, ist nicht bekannt, aber es sind auffallend viele. Die Gassi-Infrastruktur ist für italienische Verhältnisse bestens, man kann stundenlang an der Stadtmauer entlangwandern, überall stehen Mülleimer mit Plastiktüten bereit. Vor einer Fußgängerbrücke bleibt mein Hund allerdings verwundert stehen. Sie ist belegt mit bunten Stoffteppichen. Eine Kunstinstallation? Vorsichtig schnuppernd setzt der Hund die Pfoten auf den Stoff. Da kapiere ich es: Hundefreunde haben das Stahlgitter mit Teppichen ausgelegt, damit die Tiere angenehmer die Brücke überqueren können. Ferrara ist nicht nur die fahrrad-, sondern auch die hundefreundlichste Stadt Italiens. Titus Arnu

Mitten in ... München

Mittwochnachmittag, Impfzentrum Riem. Ein Nicht-Ort aus Stahlträgern, Markierungen, Nummern, Effizienz. Massenabfertigung live. Menschen stehen in Schlangen, DIN-A4-Papier und gelbe Impfpässe in den Händen. Pfeile und Schilder, die auf Pfeile und Schilder verweisen, warnbewestete Menschen, die die immergleichen Sätze wiederholen. Erst- oder Zweitimpfung? Moderna oder Biontech? Bitte dort anstellen, rechte Schlange, Schalter zwölf. Die Masse wird geteilt, gelotst, geformt. Langsames Gehen, monotones Murmeln. Warten. Man fühlt sich klein wie eine Ameise. Auf den Kopfhörern "La Bohème" von Puccini für ein bisschen zusätzliche Dramatik. Dann kommt eine Warnwesten-Frau, duzt, malt ein B für Biontech auf den Zettel und - hoppla - was ist das? "Eine Sonne, für das Lächeln für unterwegs." Danke. Jetzt fühle ich mich noch kleiner. Veronika Wulf

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