Süddeutsche Zeitung

Michelle Obama als Internet-Star:Tanz mit der Rübe

Lesezeit: 3 min

Im Gemüsegarten, in Talkshows und im Netz: Michelle Obama wirbt überall für gesunde Ernährung. Nun wird ein Sechs-Sekunden-Clip der First Lady zum Online-Hit. Es zeigt sich wieder: Das Obama-Team versteht das Internet besser als die Republikaner.

Von Matthias Kolb, Washington

Michelle Obama lässt sich nicht so leicht ablenken. Als First Lady setzt sie sich vor allem für zwei Themen ein: Sie will die Lage für Amerikas Kriegsveteranen und deren Familien verbessern und sie kämpft bei jeder Gelegenheit mit ihrer Kampagne "Let's move" gegen die Fettleibigkeit amerikanischer Kinder an. Ein kurzer Video-Clip, aufgenommen mit der Vine-App, sorgt nun in Amerika für Aufsehen: Darin tanzt Michelle Obama mit einer Rübe ( auf das Lautstärke-Symbol in der unteren Ecke klicken, um den Ton anzuschalten).

Zugegeben: Im englischen Sprachraum funktioniert das Video besser. Die Speiserübe, die Michelle Obama in der Hand hält, heißt hier "turnip" und das Lied, zu dessen Beat die First Lady wippt, ist der Partykracher "Turn Down for What" von Lil Jon und DJ Snake. Unter dem Hashtag #turnipforwhat verbreitet sich das Video in Windeseile.

Gerade bei Twitter sind viele Nutzer begeistert - vom Präsidenten persönlich über DJ Snake bis hin zur Show-Masterin Ellen DeGeneres.

Durch diese Aktion schafft es die überaus populäre First Lady ( zwei Drittel aller Amerikaner mögen sie) wieder einmal, dass überall (vom Klatschmagazin People über die Washington Post bis hin zum Christian Science Monitor) über ihr "Let's move"-Programm gesprochen wird - und damit über den Wert von gesunder Ernährung. Das Vine-Video war Teil einer breit angelegten Social-Media-Kampagne: Unter dem Hashtag #askthefirstlady konnten Twitter-Nutzer der 50-Jährigen Fragen stellen. Bei der Aktion verriet Obama, dass sie als Kind zur Belohnung für gute Schulnoten Pizza bekam - heute will die Fitness-Fanatikerin fettiges Essen aus den Schulkantinen vertreiben.

In seinen Wahlkämpfen 2008 und 2012 hat Barack Obama der Welt gezeigt, wie man Social Media und Online-Tools perfekt einsetzt. Doch auch Michelle Obama und ihr Team wissen, worauf es bei Twitter, Facebook, Vine und Instagram ankommt: Man darf sich selbst nicht allzu ernst nehmen, muss schnell reagieren und den Dialog suchen: Das nun so gehypte Vine-Video mit der Rübe ( Vox.com spricht von einer "Social-Media-Action, die wir nie vergessen werden") war eine Antwort auf die Frage eines Obama-Imitators namens @Alphacat.

Der Erfolg lässt sich auch in Zahlen messen: Das Vine-Video wurde - Stand Donnerstagmorgen - mehr als 15 Millionen Mal abgespielt (da es in Dauerschleife läuft, ist nicht klar, wie viele Personen es gesehen haben). Von solchen Zahlen sind die Republikaner und ihre Organisationen weit entfernt: Die Videos, mit denen die Jugendorganisation College Republicans um Wählerinnen wirbt, sind vor allem peinlich ( Details hier) und kommen nur auf einige Zehntausend Klicks.

Überparteiliches Image - geschickt eingesetzt

Wie auch ihre Vorgängerinnen hält sich Michelle Obama als First Lady bei aktuellen politischen Debatten zurück. Sie äußert sich nicht zu Obamacare, den tödlichen Schüssen auf Michael Brown in Ferguson oder dem Stillstand in Washington - dies erklärt auch ihre Popularität. Daher erzielen ihre wenigen Auftritte - etwa bei der Oscar-Verleihung 2013 - immer große Aufmerksamkeit: Jüngst unterstützte sie etwa die "Bring Back Our Girls"-Kampagne für die von Boko Haram entführten nigerianischen Schülerinnen.

Um ihre Fitness-Kampagne "Let's move" voranzubringen, forderte sie auch schon mal den Late-Night-Showmaster Jimmy Fallon zu einem Fitness-Duell im Weißen Haus auf oder tanzte mit ihm den "Mommy Dance".

Natürlich ist es unwahrscheinlich, dass amerikanische Kinder und Jugendliche nun wegen des Rübentanzes mehr Gemüse essen werden. Doch beim Kampf um gesünderes Essen in Amerikas Schulen geht es um Milliardensummen: Erst kürzlich beschrieb das New York Times Magazine in einer langen, faktenreichen Reportage, wie die Lobbyisten darum kämpfen, dass weiterhin Fast Food in Kantinen verkauft werden darf und dass trotz strenger Vorgaben Pizza als Gemüse gelten darf. Es gibt nicht wenige Amerikaner, denen es nicht gefällt, dass der Staat vorschreiben soll, was sich die Schüler aufs Tablett laden.

In diesem politisch brisanten Umfeld kann Michelle Obama jeden Klick gebrauchen. Sie weiß, dass ihre Beliebtheit ihre beste Waffe ist.

Linktipps:

  • "Eine, die alle bewegt": Zum 50. Geburtstag von Michelle Obama erschien dieses Porträt in der Süddeutschen Zeitung.
  • Wie das Schulessen zu einem politischen Kampfthema wurde: Die lange Reportage der New York Times finden Sie hier.
  • "Michelle auf Hillarys Spuren": Warum die First Lady so beliebt ist und welche Spekulationen dies auslöst, steht in diesem Süddeutsche.de-Text.

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