Süddeutsche Zeitung

Harry und Meghan Sussex:Freiheit, ganz einfach

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Wer hat sich nun durchgesetzt? Die Queen oder die Sussexes? Der britische Boulevard vertritt im Kampf und die Deutungshoheit alte Rollenbilder und prügelt vor allem auf Harrys Frau ein. Das Volk ist wieder einmal schon viel weiter.

Kommentar von Cathrin Kahlweit, London

Die britischen Medien sind sich weitgehend einig: Harry und Meghan, in Zukunft nur noch schlicht "The Sussexes", sind selbst schuld daran, dass sie ihr freudloses Schicksal nun in der Fremde fristen, das Geld für die Renovierung von Frogmore Cottage an den Steuerzahler zurückzahlen, mit dem geballten Zorn der Royals und der Enttäuschung eines ganzen Volkes leben müssen. Gerade mal 72 Tage habe Meghan sich durch die Übernahme von Repräsentationspflichten in den Dienst des Königreichs gestellt, dafür aber bei den Kosten für die Hochzeit reichlich abgesahnt, heißt es.

Nun sei es Zeit "zurückzuzahlen", findet die Sun, und die Mail on Sunday rechnet den Preis, den Großbritannien für das gebrochene Versprechen gezahlt hat, dass die künftige Frau von Prinz Harry dauerhaft funktionieren, dienen und schweigen werde, auf 15 Seiten akribisch aus. Piers Morgan, als journalistisches Enfant terrible bekannt, wütet besonders laut: "Seltsam, dass Meghan überhaupt so lange gebraucht hat, Harry dazu zu bringen, seine Familie, die Monarchie, das Militär und sein Land im Stich zu lassen."

Das Urteil, dass der sympathische Sohn von Diana mit der kapriziösen Amerikanerin nicht gut fahren werde, war in dieser Love-Story früh gefällt. Die Duchess of Sussex habe doppelt so viele negative wie positive Schlagzeilen bekommen, hat der Guardian gezählt. Einige Berichte waren rassistisch grundiert; Meghan Markle sei eher als "Geliebte denn als Ehefrau geeignet", habe "exotische DNA". Ein Foto zeigte statt ihres Babys einen Schimpansen.

Medienrezeption und Rollenbilder, Tradition und Verfassungswirklichkeit - die Familienkrise bei den Windsors hat viele Ingredienzien. Die meisten davon wurden in den vergangenen Wochen detailliert beleuchtet. Die aktuellen Reaktionen vom britischen Boulevard über halbseriöse Blätter wie den Telegraph bis hin zur bierernsten Times belegen nun wieder einmal, dass die veröffentlichte Meinung in Großbritannien in Sachen Monarchie (und im Übrigen auch in Sachen Brexit) Teil eines Systems sein will, das stützt und stabilisiert, was historisch gewachsen ist.

Es ist der Blick von innen nach außen, der abwehrende Blick aus Buckingham Palace und Westminster auf eine sich verändernde Welt, die es draußen zu halten gilt aus dem Land und den Köpfen. Eine selbstbewusste Frau mit Ansprüchen und ein Mann, der , selbst wenn er könnte, nicht König sein wollte, die Verweigerung stereotyper Rollenbilder und die gleichberechtigte Entscheidung für ein anderes Lebenskonzept sind nicht vorgesehen. Das zeigt allein die Exegese der Erklärungen von Queen und Palast, die so gelesen werden, als hätten Meghan und Harry den Kürzeren gezogen, seien "hinausgeworfen" worden, hätten bekommen, was sie verdienen.

Nicht zu vergessen: Mehrere Medienhäuser werden derzeit von dem Paar verklagt. Eine faire Berichterstattung fördert dieser Konflikt nicht.

Das Ergebnis der Verhandlungen zwischen dem Ehepaar Sussex und dem Palast wird als Waterloo für die Aussteiger und als Sieg der entschlossenen, routinierten Monarchin interpretiert, die aber, das darf nicht fehlen, dabei ihr gutes Herz gezeigt habe. Denn eine Queen muss hart, aber zugleich mütterlich sein.

Die Bevölkerung ist in alledem, wie so oft, wenn eine gesellschaftliche Entwicklung der politischen vorauseilt, schon viel weiter. Die Mehrheit gönnt dem Paar seine neue Freiheit. Ganz einfach.

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SZ vom 20.01.2020
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