Süddeutsche Zeitung

Corona in Österreich:"Impfen ist Punk"

Lesezeit: 3 min

Marco Pogo ist Arzt und Gründer der "Bierpartei Österreich", außerdem macht er Punkmusik. Auf einem Konzert will er nun seine Fans impfen.

Von Oliver Das Gupta

Marco Pogo, der eigentlich Dominik Wlazny heißt, ist wie Sebastian Kurz 1986 in Wien geboren, doch sehr viel mehr hat er mit dem österreichischen Kanzler nicht gemeinsam: Pogo ist studierter Arzt, Sänger der Punk-Band Turbobier und sitzt für seine satirische "Bierpartei" im Bezirksparlament von Wien-Simmering. Zur Eindämmung der Corona-Pandemie verbindet er seinen medizinischen Beruf mit seiner musikalischen Berufung.

SZ: Herr Pogo, Sie laden zum Punkkonzert Ihrer Band und wollen dort eigenhändig Impfstoff injizieren. Wie passt das zusammen?

Marco Pogo: Warum so gestelzt? Wir in Wien sagen "Jaukerl" dazu!

Habens denn überhaupt schon mal Jaukerl gesetzt?

Klar, das Jaukerl gegen Corona im Frühjahr in einer "Impfstraße". Als Mediziner bist du ja oft Überbringer einer schlechten Nachricht, aber das war anders: Damals waren ja vor allem ältere Menschen beim Impfen und die waren so was von erleichtert und fröhlich. Das hat mir sehr getaugt.

Medizin, Punk, Politik - was kam bei Ihnen zuerst?

Der Punk, natürlich! Seit Kindheitstagen höre ich den. Mit der Mama habe ich dann oft "Emergency Room" geschaut und dachte mir: Hey, das möchte ich mal machen.

Sie sahen sich als George Clooney mit Wiener Schmäh?

So in etwa. Auf jeden Fall habe ich nach der Schule Medizin studiert, nebenher Musik gemacht, irgendwann die Band Turbobier gegründet. Es ging so gut, dass das Hobby zum Beruf wurde, nachdem ich schon zwei Jahre als Arzt gearbeitet hatte. Und in der Politik angetreten bin ich aus einer eigenen Unzufriedenheit heraus. Weil ich mich als Falschwähler empfunden habe.

"Falschwähler"? Nie gehört.

Wenn Sie so wollen, ist das eine neue Kategorie: Ich bin nicht einer bestimmten Partei angehangen, aber bin natürlich zu jeder Wahl gegangen und habe meine Kreuzerl gemacht. Spätestens zwei Monate hinterher habe ich mich furchtbar geärgert, weil da die Erkenntnis war: Schon wieder falsch gewählt. Und so geht es vermutlich ganz, ganz vielen Leuten im Land.

Warum wurden Sie dann kein Nicht-Wähler, sondern gründeten die Bierpartei?

Es ist, so wie es in Österreich Tradition hat, das Ergebnis einer "bsoffenen Gschicht". Ich habe einen Song geschrieben mit dem Titel "Die Bierpartei" und diese dann ins Parteienregister eingetragen. Aber erst mit der Ibiza-Affäre 2019 kam der Impuls: Das probier ich einfach ernsthaft und schau, was herauskommt.

Im Zentrum der Ibiza-Affäre stand der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der mag auch gerne Bier.

Sehr viel mehr Gemeinsamkeiten haben wir nicht! Aber ja: Strache hat mit seinem Abend auf Ibiza ausnahmsweise etwas Gutes bewirkt. Darum an dieser Stelle, auch wenn es mir wirklich schwerfällt: Danke, Heinz!

Bei der Wien-Wahl 2020 ist die Bierpartei in elf Bezirksparlamente eingezogen - vorher haben Sie unter anderem einen Bierbrunnen gefordert.

Wenn sich die Chance ergibt, etwas Sinnvolles zu machen, dann wird das aber auch versucht. Das ist dann schon ein markanter Unterschied zu vielen anderen österreichischen Politikern.

Ein Beispiel bitte.

Ganz ernsthaft: Wir haben in Österreich ein massives Gewaltproblem - Gewalt, die vor allem von Männern ausgeht. Betroffen sind meist Frauen und Kinder, die sich oft nicht trauen, darüber zu reden. Da die meisten Opfer zum Arzt gehen, fordern wir, dass man in Praxen Plakate aufhängt, auf denen mehrsprachig steht: "Gewalt ist nicht normal, Du bist nicht allein, hier gibt es Hilfe, bitte rede mit uns." Wenn wir durch solche Plakate auch nur einen Menschen retten, hat es sich schon gelohnt. Das ist eine einfache Idee, aber total lebensnah, oder?

Was Sie am Wochenende vorhaben, klingt auch ziemlich lebensnah. Gibt es in der Punkszene denn viele Impfmuffel?

Etwa 3000 Leute kommen zum Konzert, und viele schreiben mir, dass sie leider bereits geimpft sind. Aber selbst wenn ich nur 50 Leuten eine Spritze verpasse, dann sind es 50 Leute weniger, die ernsthaft krank werden.

Löblich findet das auch das politische Establishment, sogar die Wiener Stadtregierung unterstützt Sie. Hand aufs Herz: Ist das noch Punk?

Alles, was hilft, dass wir diese verdammte Seuche schnell und wirkungsvoll eindämmen, ist gut. Gerade für unseren Kulturbereich, der als Erstes zusperren musste und als Letztes wieder aufsperren durfte, ist es immens wichtig. Da hängen nicht nur Musiker aller Art dran, sondern auch Leute wie Tontechniker, Clubbetreiber und Busfahrer. Langer Rede kurzer Sinn: Impfen ist Punk.

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