Süddeutsche Zeitung

Kirchliche Geldwäsche:Chormeister des Vatikans: Anwalt gesucht

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Von Oliver Meiler, Rom

Ihr Gesang umschmeichelt die Messen der Päpste im Petersdom seit fünfzehn Jahrhunderten, samten und fein und immer einen Ticken zu hoch. Bis ins vorletzte Jahrhundert wurden junge Sänger des Päpstlichen Chors der Sixtinischen Kapelle kastriert, damit sie ihre Engelsstimme nicht verloren. Das geht heute natürlich nicht mehr. Doch es wachsen immer neue schöne Stimmen heran. Der Chor des Papstes zählt konstant 35 Knaben im Alter von neun bis 13 Jahren, sogenannte "Pueri cantores", und 20 erwachsene Sänger. Wie Stars touren sie durch die Welt, geben Konzerte, auch mal private für Prälaten und Politiker. Und das verursacht nun einen weiteren Skandal voller Intrigen, wie ihn sich der Vatikan wohl gerade jetzt gerne erspart hätte. Papst Franziskus soll dem Chormeister geraten haben, sich einen guten Anwalt zu suchen.

Monsignor Massimo Palombella, Maestro seit acht Jahren, steht im Verdacht, zusammen mit dem Treuhänder der Institution, dem Laien Michelangelo Nardella, einen Teil der Einkünfte auf das Konto einer italienischen Bank transferiert zu haben - am Vatikan vorbei, mutmaßlich für persönliche Bedürfnisse. Der Papst wies einen vatikanischen Untersuchungsrichter an, der Sache mit Härte nachzugehen.

Ermittelt wird wegen Geldwäsche, Betrugs, Fälschung von Unterschriften und Amtsunterschlagung. Nardella wurde schon entlassen. Aus den Medien erfährt man, dass der Treuhänder mit seiner Familie eine tolle Wohnung, 400 Quadratmeter groß, am Sitz des Chors im Herzen Roms bewohnt. Seine Frau, eine Psychologin, soll ihre Praxis in der umfunktionierten Kapelle im extraterritorialen, also vatikanischen Palazzo eingerichtet haben. Der Monsignore aus Turin ist noch im Amt, aber wohl nicht mehr lange.

Zum Verhängnis wurde den beiden ein Ausflug des Chors nach New York im Mai. Die Sänger traten bei einer Veranstaltung im Metropolitan Museum auf, die den vermeintlich passenden Titel "Heavenly Bodies" trug, himmlische Körper. Es ging um kirchliche Mode, im weitesten Sinne. Zugegen waren auch die Popsängerinnen Jennifer Lopez und Rihanna. Insgesamt ein fröhlicher Anlass, irgendwo zwischen sakral und profan, durchsetzt mit einem Schuss karnevalesker Blasphemie: junge Damen mit Nonnenschleier und sehr kurzen Röcken. Die erwachsenen Sänger waren darob dermaßen entzückt, dass sie Selfies in provokanter Pose schossen und heimschickten. Den Maestro sieht man mit Rihanna.

Die Eltern der Jungen mit den "weißen Stimmen", wie die Italiener den Knabensopran vor dem Stimmbruch nennen, beklagten sich im Vatikan. Der Rahmen, er war nicht für Kinder geeignet. Die Eltern klagten nicht zum ersten Mal, doch diesmal schenkte man ihnen Gehör - so begannen die Ermittlungen gegen den Chormeister. Palombella, 51 Jahre alt, soll ein rabiater Mann sein, der die Kinder, wenn ein falscher Ton sein Empfinden störte, vor den anderen erniedrigte. Deshalb laufen auch Ermittlungen wegen Mobbings. Palombella ist der erste Dirigent in der langen Geschichte des Chors, der nicht selbst komponiert. Über seine künstlerische Expertise ließ sich deshalb trefflich streiten. Beim Geld ist das schwieriger. Nun sucht sich der Monsignore wohl einen guten Verteidiger.

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Quelle:
SZ vom 19.09.2018
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