Süddeutsche Zeitung

Naomi Osaka:Bleich vor Stolz

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Von Christoph Neidhart, Tokio

Japan jubelt. Nach ihrem Sieg bei den Australian Open am Samstag wird erstmals eine Japanerin Nummer eins der Tennis-Weltrangliste: Naomi Osaka. Vor einem Jahr noch auf Rang 72, wurde sie schon im Herbst zum Liebling ihrer Landsleute, als sie die US Open gewann. Damals vermieste ihr Serena Williams mit Tiraden gegen den Schiedsrichter die Siegesfeier. In Melbourne überwand die 21-Jährige den Verlust von drei Matchbällen im zweiten Satz. Sie vergoss Tränen - und holte im dritten Satz trotzdem den Sieg.

Das waren große Gefühle, die viele Japaner im Fernsehen verfolgten. Doch auch diesmal gab es Misstöne. Osakas Sponsor Nissin, ein Fertignudel-Konzern, musste während des Turniers einen Youtube-Werbespot zurückziehen. Der Zeichentrick-Film, Teil einer "Hungrig nach Siegen" genannten Serie von Nissin, zeigte die dunkelhäutige Osaka mit weißer Haut und großen graublauen Augen.

Das Land sehnt sich nach sportlicher Größe, auch im Hinblick auf Olympia 2020 in Tokio. Die weit verbreiteten Vorurteile gegen das vermeintlich Unjapanische stehen dem entgegen. Wenn schon jemand Ausländer ist oder "Hafu", halb, dann hat seine Haut wenigstens weiß zu sein. Diese Reaktion vieler Japaner macht auch vor Repräsentanten ihres Landes auf internationaler Bühne nicht halt. So war der Baseball-Profi Yu Darvish wegen seines iranischen Vaters genauso Anfeindungen ausgesetzt wie Priyanka Yoshikawa, Siegerin des Miss-World-Japan-Wettbewerbs 2016. Ihr Vater stammt aus Bangladesch, sie wurde in sozialen Medien übel beschimpft, weil sie kein Recht habe, Japan zu vertreten.

Die missratene Nissin-Nudelwerbung zeigt, dass es auch Naomi Osaka schwer haben dürfte, die Vorurteile zu durchbrechen. Dabei kann sich Japan glücklich schätzen, dass die Tennisspielerin überhaupt für Nippon spielt. Zwar wurde Osaka in Japan geboren, ihre Mutter stammt von der Insel Hokkaido, ihr Vater aus Haiti. Der Großvater verstieß ihre Mutter, weil sie einen dunkelhäutigen Mann geheiratet hatte. Als Naomi drei Jahre alt war, zog die Familie deshalb in die USA.

Naomi wuchs in Long Island auf, sie ging durch amerikanische Tennisschulen und spielte US-Jugendturniere. Vater Leonard François hatte früh auf eine Tenniskarriere seiner Töchter gesetzt, Naomis ältere Schwester ist ebenfalls Tennisprofi. Doch als er beim US-Verband um Unterstützung bat und abblitzte, registrierte er Naomi auch beim japanischen Verband. Dann sah ein japanischer Coach die damals 16-Jährige. "Das war der Beginn einer Schlacht zwischen Japan und den USA", schreibt die japanische Sportzeitung Nikkan Sport - mit dem besseren Ende für Japan.

Ihr Sponsor, die Firma Nissin, hat sich für die gebleichte Haut im Werbespot inzwischen entschuldigt: Es sei nicht so gemeint gewesen. Diskriminierung erfolgt in Japan oft gedankenlos. Wie Naomi Osaka das findet? Die Sportlerin selbst, die gebrochen Japanisch spricht, hat sich indirekt positioniert. Ihr Coach Sascha Bajin ist Deutscher, ihr Fitness-Coach Abdul Sillah Amerikaner mit libyschen Wurzeln. Zu ihrer Herkunft sagte sie einmal, sie sei nicht Japanerin, nicht Amerikanerin, sondern: Naomi.

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Quelle:
SZ vom 28.01.2019
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