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Britisches Königshaus:Geht "nur noch prominent" überhaupt?

Lesezeit: 4 min

Harry und Meghan haben ihren Rückzug von langer Hand geplant: ein Bruch mit jahrhundertealten Konventionen sowie mit einem Mediensystem, unter dem bereits Prinzessin Diana litt.

Von Jana Stegemann, Düsseldorf

Während der Palast noch an einer "workable solution" arbeitet, hat eine andere britische Institution die Kündigung der Sussexes schon akzeptiert. Bei "Madame Tussauds" in London wurden die Wachsfiguren von Prinz Harry und Herzogin Meghan umgehend vom Rest der königlichen Familie getrennt: "Ab sofort werden sie nicht mehr Teil unseres Royal-Family-Sets sein." Damit habe man auf den "überraschenden Rückzug" reagieren wollen, sagte der Chef des Wachsfigurenkabinetts.

Außerhalb der Wachswelt arbeiten Harry und Meghan offenbar schon länger daran, sich als eigenständige und unabhängige Marke, als "Royal Brand" zu etablieren. Das wird immer klarer, je mehr Details bekannt werden, zwei Tage nach der Ankündigung, die am Mittwochabend in den BBC-Nachrichten noch vor dem Iran-USA-Konflikt Erwähnung fand.

Schon vor Monaten - kurz nachdem sich das Paar aus der gemeinsamen Stiftung mit William und Kate zurückgezogen hatte - soll es eine Agentur aus Toronto mit der Umsetzung seiner Webseite " sussexroyal.com" beauftragt haben. Die ging am Donnerstag live, parallel zur Kündigung. Die Agentur hatte auch Meghans früheren persönlichen Blog "The Tig" betreut, den sie mit Eintritt ins Königshaus aufgegeben hatte. Und bereits aus dem sechswöchigen Kanada-Urlaub soll Harry seinen Vater Charles kurz vor Weihnachten über die Rückzugspläne informiert haben, es heißt, der Thronfolger habe ihn vertröstet. Daraufhin soll der 35-Jährige versucht haben, einen Termin bei seiner Großmutter zu bekommen, doch das sei vom Palast verhindert worden, berichten britische Royalreporter und berufen sich auf Palastkreise. Die New York Times schreibt zudem, dass die Sussexes unter Zeitdruck standen, weil das Boulevardblatt Sun von den Rückzugsplänen erfahren haben soll.

Meghan und Harry verlassen also "The Firm", wie die Windsors sich nennen, aber sie befreien sich vor allem von der britischen Boulevardpresse. Der blieb natürlich trotzdem nicht der reichlich skurrile Umstand verborgen, dass Meghan am Donnerstag nach dreitägigem London-Intermezzo schon wieder das Land verließ. Baby Archie hatte seine Mutter auf ihrem Kurztrip gar nicht begleitet, er blieb mit seiner Nanny in Vancouver. "Sie flieht nach Kanada", ätzte die Daily Mail. Harry hingegen ist geblieben. Er soll schon einige Krisengespräche geführt haben.

In seinem Instagram-Post hatte das Paar etwas kompliziert formuliert angekündigt, dass es "als hochrangige Mitglieder der Königsfamilie" zurücktreten wolle, "um eine progressive neue Rolle innerhalb dieser Institution zu entwickeln". Seitdem ist viel die Rede von Verletzungen, die sich in dieser so starr und hart erscheinenden Familie ergeben haben könnten. Ist der Rückzug nicht schlicht die logische Konsequenz eines Paares, das seit Langem mit den Regeln der britischen Monarchie und seit Kurzem eben auch mit der eigenen Familie hadert? Als "Senior Royals" haben die beiden ihre eigene Position in ihrer Kündigung bemerkenswert technokratisch beschrieben. Und dann ist da natürlich noch die Sache mit den Fotos: Besonders Prinz Harry soll es geärgert haben, dass bei der TV-Weihnachtsansprache der Queen kein gerahmtes Foto seiner Familie am Tisch stand. Auch ein neues offizielles Foto, das "den Beginn eines neuen Jahrzehnts markieren" sollte, zeigt nur die Königin mit ihren drei Thronfolgern.

Prinz Charles möchte die Monarchie schon lange verschlanken, sein Sohn und seine Schwiegertochter sind ihm nun ungeplant zuvorgekommen. Sie kündigten "finanzielle Unabhängigkeit" vom Palast an und wollen künftig ihr eigenes Geld verdienen. Wie genau das ablaufen soll, ist bisher unklar. Die Times berichtet, dass Charles mit einem Zahlungsstopp gedroht haben soll, wenn es keine einvernehmliche Einigung geben sollte.

Das Sussex-Paar kann sich nahezu mit den Obamas messen

Harry und Meghan verfügen jedoch über ein beträchtliches Privatvermögen und sind eines der berühmtesten Paare der Welt. Ihr Marktwert bewegt sich angeblich nahe dem der Obamas. Das, was Harry und Meghan gerade ausprobieren, ist der Versuch, die Monarchie und ihre Titel nur noch als weitere Kategorie von Prominenz zu etablieren.

Statt sich in das starre Gefüge von britischer Verfassung und Monarchie pressen zu lassen, mit dem höfischen Protokoll, der komplizierten Etikette, scheinen Harry und Meghan zu planen, künftig "nur noch" prominent zu sein. Das Paar will nicht komplett ins Privatleben abtauchen, es wird in der Öffentlichkeit bleiben, es will mit seiner Bekanntheit und seinen Kontakten vor allem Geld für wohltätige Zwecke sammeln - aber, und das ist der wichtigste Unterschied: zu seinen eigenen Regeln.

Diese Regeln unterscheiden sich eklatant von denen des Palastes. Und werden sehr ausführlich auf der neuen Webseite beschrieben. Dazu gehört auch, dass das Paar aus dem sogenannten "Royal Rota"-System austritt. Ein Deal zur Berichterstattung, den die Royals seit 40 Jahren mit sieben britischen Zeitungen, darunter vier Boulevardblättern, haben. Denen gibt Prinz Harry indirekt die Schuld an dem Unfalltod seiner Mutter, Prinzessin Diana, 1997 in Paris.

"Verrückt, beängstigend und ungemütlich"

Mit Sorge beobachtete der Prinz daher seit Jahren, wie gnadenlos auch Meghan von der Yellow Press angegangen wurde, er kritisierte deren Vorgehen mehrmals öffentlich. Schon zwei seiner Ex-Freundinnen sollen sich wegen der ständigen Beobachtung von Harry getrennt haben.

Mit der Südafrikanerin Chelsey Davy war der Prinz von 2004 bis 2011 zusammen, 2016 sagte die Anwältin und Schmuckdesignerin in einem Interview, dass sie die mediale Aufmerksamkeit "verrückt, beängstigend und ungemütlich" empfunden hatte. "Es war furchtbar, ich konnte damit nicht umgehen." Klar geworden sei ihr das Ausmaß erst richtig auf der Hochzeit von William und Kate 2011, an der sie als Gast teilnahm.

2014 trennte sich auch die aus einer britischen Adelsfamilie stammende Cressida Bonas nach zwei Jahren Beziehung von Harry, obwohl bereits über eine Verlobung spekuliert wurde. Der Grund? Das Model sei "verängstigt" von der Medienaufmerksamkeit gewesen. In einem Interview mit der Sunday Times hatte Prinz Harry vor Jahren mal gesagt: "Leider ist die Grenze zwischen privatem und öffentlichem Leben heute nahezu nicht mehr gegeben." Harry und Meghan versuchen jetzt, die Grenze neu zu ziehen.

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SZ vom 11.01.2020
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