Süddeutsche Zeitung

Getötete Polizisten in Brandenburg:Erschütternd, schockierend, unbegreiflich

Lesezeit: 2 min

Von Verena Mayer, Berlin

Müllrose ist ein ruhiger Ort in Brandenburg, in der Nähe der polnischen Grenze. 4300 Leute leben hier, darunter viele Familien, in der Nähe sind zwei Seen und ein beliebter Naturpark. Doch am Dienstag wurde der idyllische Ort Schauplatz eines schweren Verbrechens. Zwei Polizisten starben, als ein Autofahrer sie mit hoher Geschwindigkeit überrollte, der im Verdacht stand, kurz zuvor seine Großmutter getötet zu haben. In Brandenburg ist dies die schwerste Gewalttat gegen Polizisten im Einsatz seit der Wende. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nannte die Tat auf Twitter "erschütternd".

Im Land Brandenburg wehen nun zahlreiche Flaggen auf halbmast, Dienstagabend waren in Müllrose noch immer die Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft unterwegs. In dem hübschen, dunkelgelb gestrichenen Einfamilienhaus etwa, in dem die 79-jährige Rentnerin lebte. Nachbarn hörten am Vormittag einen lauten Streit und sahen jemanden aus dem Haus laufen und in den Pkw der Frau steigen. Sie alarmierten die Polizei, die im Bad die Leiche der Rentnerin fand, mit Schnittwunden am Hals. Warum die 79-Jährige sterben musste, werde derzeit noch untersucht, sagte Brandenburgs Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke. Schnell war jedoch klar, wer dringend tatverdächtig war: Jan G., der 24-jährige Enkel der Frau. Er war bereits mehrfach als Straftäter aktenkundig geworden, unter anderem wurde er wegen Raubes, Körperverletzung, Bedrohung, Fahrens ohne Führerschein und Diebstählen verurteilt, sagte der zuständige Oberstaatsanwalt am Dienstag in Potsdam. Auch war er als Konsument von Drogen bekannt.

Als die Polizei Jan G. festnehmen wollte, flüchtete er im Pkw seiner Großmutter. Die Polizei leitete daraufhin eine Großfahndung mit Hubschraubern und Straßensperren ein. Auf der Bundesstraße 87 habe dann eine Streife versucht, den flüchtigen Mann mit einem ausgelegten Nagelbrett zu stoppen, sagte Polizeipräsident Mörke. Doch der 24-Jährige sei dem ausgewichen und habe "mit seinem Auto voll auf die Polizisten draufgehalten", die sich auf dem Radweg neben der Straße in Sicherheit gebracht hatten. "Das zeigt, mit welcher Skrupellosigkeit und mit welcher Gewalt dort gehandelt wurde." Die beiden Beamten starben noch am Unfallort an ihren schweren Verletzungen. Die Männer waren 49 und 52 Jahre alt und standen seit den Neunzigerjahren im Dienst der Brandenburger Polizei. Beide hinterlassen jeweils eine Frau und insgesamt drei Kinder.

Täter ist noch nicht vernehmungsfähig

Der 24-Jährige brachte für seine Flucht noch ein weiteres Fahrzeug in seine Gewalt, wurde aber wenig später gefasst. Derzeit wird geprüft, ob er während der Tat unter dem Einfluss von Drogen, etwa Crystal Meth, stand. Zeugen berichteten den Behörden zudem, dass der junge Mann suizidgefährdet sei. Er ist noch nicht vernehmungsfähig und in ärztlicher Behandlung. Auf der Flucht hat er mindestens noch drei weitere Verkehrsunfälle verursacht. Auf die Tat gab es am Dienstag zahlreiche Reaktionen aus der Politik: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), den die Meldung während einer Kabinettssitzung erreichte, zeigte sich "schwer getroffen und schockiert" über das Verbrechen, Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) nannte die Tat "unbegreiflich" und forderte in Potsdam eine Verschärfung der Gesetze. "Die Gewalt gegen Polizisten und Rettungskräfte nimmt stetig zu", sagte Schröter. "Wir müssen unsere Ordnungskräfte besser vor Gewalttätern schützen."

Dass Polizeibeamte bei Einsätzen getötet werden, ist in Deutschland eher selten, kommt aber vor. Zuletzt hatte der Einsatz gegen sogenannte Reichsbürger in Bayern für Schlagzeilen gesorgt. Bei einer Razzia im Oktober 2016 feuerte ein Mann in Georgensgmünd auf vier Polizisten. Einer von ihnen erlag später seinen Verletzungen. Das Spezialeinsatzkommando wollte die Waffen des Jägers beschlagnahmen.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2017
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