Süddeutsche Zeitung

Feuer im Flüchtlingslager:Warum die Brandgefahr im Gazastreifen so hoch ist

Lesezeit: 2 min

21 Menschen sind bei einer Familienfeier im Gazastreifen gestorben, nachdem ein Haus in Flammen aufging. Manche Palästinenser machen Israel mitverantwortlich.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Es ist der Beginn des muslimischen Wochenendes im Gazastreifen, und es gibt viel zu feiern bei der Familie Abu Rayya, die im oberen Stockwerk eines neu errichteten Apartmentgebäudes im Flüchtlingslager Dschabalija lebt: Der Sohn ist gerade mit einem Doktortitel vom Studium in Ägypten zurückgekehrt, zudem gibt es noch ein Geburtstagskind. Doch als Kerzen entzündet werden zur Feier des Tages, kippt der Festtag um in eine Katastrophe. Auf eine Explosion folgt ein verheerendes Feuer, und alle 21 Menschen, die bei der Feier anwesend sind, kommen ums Leben. Unter den Opfern sind auch viele Kinder.

Auf Videos vom Unglücksort ist zu sehen, wie das gesamte vierstöckige Gebäude in Flammen steht. Als Auslöser des Infernos wird ein Gasleck vermutet. Zudem sollen größere Mengen Benzin in der Wohnung gelagert worden sein, die den Brand enorm beschleunigt haben. Benzin oder auch Diesel nutzen viele Familien im Gazastreifen, um Generatoren zu betreiben, mit deren Hilfe sie die ständigen Stromunterbrechungen überbrücken.

Israel bietet Hilfe an

Die Löscharbeiten gehen über Stunden, doch mehr als ein Übergreifen des Feuers auf umliegende Gebäude können die Rettungskräfte nicht verhindern. Augenzeugen berichten von vergeblichen Versuchen, ins brennende Haus einzudringen, um die eingeschlossenen Menschen zu retten. An einem Fenster wird noch eine Mutter mit zwei Kindern gesehen, die verzweifelt um Hilfe ruft.

Wer am Tag danach mit Menschen im Gazastreifen spricht, hört von Trauer und Bestürzung in der Bevölkerung, die ohnehin leidgeprüft ist durch einen Kreislauf von Kriegen. "Hier hat niemand gut geschlafen", sagt einer. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas spricht von einer "nationalen Tragödie", ruft einen Tag der Trauer aus und lässt in dem von ihm beherrschten Westjordanland alle Fahnen auf halbmast wehen. Die mit ihm verfeindete Hamas, die den Gazastreifen beherrscht, macht Israel mitverantwortlich für den Tod der 21 Menschen und begründet dies mit der seit 2007 anhaltenden Blockade der palästinensischen Küstenenklave, wegen der auch eine adäquate Ausrüstung der Feuerwehr verhindert werde.

Tatsächlich hat diese Blockade, mit der Israel die Hamas wegen ihrer Terroraktivitäten bestrafen will, zur Verelendung der 2,3 Millionen Bewohner geführt, die sich in dem schmalen und nur rund 40 Kilometer langen Gazastreifen drängen. Besonders übervölkert sind die Flüchtlingslager, die zu unübersichtlichen Wohnvierteln herangewuchert sind. Dschabalija ist das größte von insgesamt acht Lagern, in denen mehr als 600 000 Menschen leben. In den vergangenen Jahren hatte es zahlreiche Brände gegeben, die meist durch Kerzen ausgelöst wurden, die bei den Stromausfällen für Licht sorgen sollten.

Israel hat nun nach der Brandkatastrophe seine Hilfe angeboten. Verteidigungsminister Benny Gantz kündigte via Twitter an, dass der nicht weit von Dschabalija entfernte Grenzübergang Erez bei Bedarf geöffnet werde, um Verletzte zur Behandlung in die weitaus besser ausgestatteten israelischen Krankenhäuser zu bringen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5698591
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.