Süddeutsche Zeitung

Erdbeben in Neuseeland:Bremse für die Wirtschaft

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Nach dem Erdbeben in Neuseeland mit 166 Toten macht sich die Angst vor der Zukunft breit: Der Wiederaufbau soll acht Milliarden Euro kosten.

Urs Wälterlin, Sydney

Christchurch ist wieder geöffnet, zumindest zum Teil. Seit dem Wochenende ist der Zugang in einige Bereiche der Innenstadt gestattet. In der Roten Zone dagegen sind noch immer Bergungsmannschaften auf der Suche nach Vermissten. Dort liegt das zerstörte Haus des Fernsehsenders CTV, in dem Dutzende Menschen starben. Am Sonntag gab Feuerwehrkommandant Paul Baxter bekannt, man habe jede Hoffnung aufgegeben, noch sterbliche Überreste von Opfern zu finden. Das Gebäude war am 22. Februar eingestürzt. Insgesamt haben die Rettungskräfte nun 166 Todesopfer registriert.

Eine gute Nachricht gab es dennoch: In den Trümmern der historischen Kathedrale von Christchurch fanden Suchteams keine weiteren Toten. Man hatte dort 22 Opfer befürchtet. Spezialisten aus Neuseeland, Großbritannien, Australien, China, Japan, Thailand, Singapur und Israel sind daran, Tote zu identifizieren. In den umliegenden Straßen durften Geschäftsleute und Anwohner am Sonntag zum ersten Mal seit dem Beben der Stärke 6,3 wieder in ihre Häuser zurück. Oder in das, was noch davon übrig war: Viele Bewohner konnten nur noch durch die Trümmer ihrer Häuser wühlen, um zu retten, was zu retten war. Für viele war klar, dass sie Christchurch verlassen und in andere Gegenden Neuseelands ziehen würden. 15 Prozent der arbeitstätigen Bevölkerung Neuseelands sind im Zentrum von Christchurch beschäftigt.

Dem Land stehen schwierige Zeiten bevor. Die psychische Belastung der Bevölkerung wird immer noch von einer Vielzahl von Nachbeben auf die Probe gestellt. Zudem fehlt in einigen Stadtteilen weiterhin die Wasser- und Stromversorgung. Dazu kommt die Angst vor der wirtschaftlichen Zukunft. Am Sonntag warnte die neuseeländische Notenbank, die Kosten für den Wiederaufbau könnten bis zu 8 Milliarden Euro betragen. Das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes werde im laufenden Jahr als Folge des Erdbebens um 1,5 Prozentpunkte geringer ausfallen als erwartet, hieß es.

Nachdem im September letzten Jahres ein Erdbeben der Stärke 7,1 Christchurch erschüttert hatte, jedoch deutlich geringere Schäden anrichtete als das Beben vom 22. Februar, war das Wirtschaftswachstum im dritten Quartal 2010 um 0,2 Prozent geschrumpft. Experten hatten damals einen Anstieg der Nachfrage nach Baumaterialien und Konsumgütern erwartet. Stattdessen ging der Konsum zurück, keiner wollte noch Geld ausgeben. Obwohl es nicht an Aufträgen fehlte, entwickelte sich sogar der Bausektor schleppend.

Trotz dieser Erfahrungen rechnet die Notenbank damit, dass es nach dem jüngsten Erdbeben 2012 zu einem Aufschwung kommen wird, "dank einer deutlichen Investition in Wohn- und Geschäftsliegenschaften sowie dem Wiederaufbau von Infrastruktur". Neuseeland war bereits vor den jüngsten Erdbeben wirtschaftlich geschwächt. Eine schwere Dürre hatte die von der Landwirtschaft abhängige Inselnation 2008 in eine Rezession gestürzt. Im Jahr 2009 verschärfte die Finanzkrise die Situation weiter. Seither kam die Konjunktur nur schleppend voran.

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Quelle:
SZ vom 07.03.2011
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