Dänemark:Wenn Kunst aus dem Rahmen fällt
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Der dänische Künstler Jens Haaning hatte statt einer Auftragsarbeit nur leere Leinwände geliefert und seinem "Werk" den Titel "Nimm das Geld und verschwinde!" verliehen. Das betroffene Museum forderte 70 000 Euro zurück. Nun hat ein Gericht entschieden.
Von Moritz Geier
"Deine Arbeit ist scheiße", soll der Vater des italienischen Künstlers Piero Manzoni mal zu seinem Sohn gesagt haben, was diesen im Jahr 1961 dazu bewog, 90 Blechdosen mit seinen eigenen Fäkalien zu befüllen (sein Vater war Dosenfabrikant). "Merda d'artista" nannte Manzoni sein Werk, Künstlerscheiße. Ja, moderne Kunst kann so einfach, so klar, so unproblematisch sein - wären da nicht immer diese vielen Künstler mit ihren provokanten Provokationen! Und damit hoch in den Norden nach Dänemark.
Dort hat gerade ein Gericht entschieden, dass ein Werk des Künstlers Jens Haaning gar kein Werk ist, sondern eher Diebstahl, gewissermaßen also - so wollte es das Gericht aber auch nicht nennen - eine perfide Form der merda d'artista.
Vor zwei Jahren hatte das Kunsten Museum of Modern Art in Aalborg eine Ausstellung eröffnet, es ging über das Verhältnis des Menschen zur Arbeit und zum Geld. Den Künstler Jens Haaning hatte das Museum damit beauftragt, ein Werk zu rekonstruieren, das er einst für eine Ausstellung in Wien geschaffen hatte: Damals klebte er das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Österreichers und eines Dänen in Kronen- und Euroscheinen auf zwei große Leinwände. Da er dafür natürlich wieder einen ganzen Batzen echte Banknoten benötigen würde, überwies ihm das Aalborger Museum 534 000 Dänische Kronen, umgerechnet 72 000 Euro.
Haaning aber behielt die Kronen, schickte zwei leere Bilderrahmen und nannte das Werk "Nimm das Geld und verschwinde!" Die Aktion sei ein Protest gegen die "beschissene" Bezahlung, sagte er im Studio des Rundfunksenders DR, der Lohn habe nicht mal die Kosten gedeckt. Seine Arbeit bestehe nun darin, "dass ich ihr Geld genommen habe. Es ist kein Diebstahl, sondern Vertragsbruch. Und der Vertragsbruch ist Teil der Arbeit". Haaning rief sogar dazu auf, es ihm gleichzutun: "Wenn Sie in einem beschissenen Job sitzen und kein Gehalt bekommen und tatsächlich gebeten werden, Geld zu geben, um zur Arbeit zu gehen, nehmen Sie das Geld und rennen Sie weg."
Ist das Künstlerfreiheit? Oder doch eher Betrug? Museumsdirektor Lasse Andersson konnte sich offenbar auch nicht so ganz entscheiden: Er ließ die zwei leeren Leinwände in der Ausstellung aufhängen, klagte allerdings vor Gericht auf vollständige Rückzahlung des geliehenen Geldes. Keine leichte Aufgabe für die Justiz. Wenn die Künstlerfreiheit nichts zählt, ist dann Manzonis Werk nicht auch einfach nur eine Erregung öffentlichen Ärgernisses? Und was ist eigentlich mit Robert Rauschenbergs weißen Leinwänden? Wer hat da wen betrogen?
Im Aalborger Fall aber hat das Gericht in Kopenhagen nach einem langen Rechtsstreit nun ein klares Urteil gesprochen: Haaning muss exakt 492 549 Kronen zurückzahlen, 66 000 Euro. Immerhin darf er seinen Lohn und eine Aufwandsentschädigung behalten. Und Kopf hoch, der eigentliche Gewinn im Kunstgeschäft wird ja sowieso in einer anderen Währung ausgezahlt: Von der großen öffentlichen Aufmerksamkeit, das räumte der Künstler selbst ein, hätten am Ende sowohl er als auch das Museum profitiert.