Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Alles Gute":Glück zum Ankreuzen

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In Südkorea haben viele Menschen einen neuen Weg im Kampf gegen den Pandemie-Blues entdeckt: Lottospielen. Das begeistert dort allerdings nicht Jeden.

Von Thomas Hahn

Glück ist gesund. Glück kann sogar dann gesund sein, wenn man gar keines hat. Schon der Glaube ans Glück steigert das Wohlbefinden: Die vage Möglichkeit, vielleicht eines Tages durch irgendeinen erfreulichen Zufall Glück haben zu können, hält die Lebensgeister wach. Lottospielen ist deshalb noch nicht gleich die ersehnte Medizin, die das Coronavirus vertreibt. Aber dieser Tage bestätigen Experten und Normalmenschen in Südkorea, dass die Tätigkeit, einen Lottoschein zu kaufen, auszufüllen und den rätselhaften Kräften des Schicksals zu überlassen, eine heilsame Wirkung entfaltet.

Diese Erkenntnis folgt den neuesten Zahlen der koreanischen Lotterie-Kommission. Demnach haben sich im ersten Halbjahr 2020 Lottoscheine in Südkorea so gut verkauft wie noch nie seit Beginn der südkoreanischen Lotto-Aufzeichnungen im Jahr 2005. 2,6 Billionen Won nahm die Lotterie-Branche demnach ein, 1,8 Milliarden Euro, 11,1 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2019. Besonders gut laufen Angebote, bei denen man eine monatliche Pension gewinnen kann: 68,2 Prozent Steigerung. Dadurch ist auch die Gewinnsumme gewachsen: Wer Glück hat, kann mittlerweile monatlich sieben Millionen Won, 5000 Euro, über 20 Jahre bekommen, bis vor Kurzem waren es noch 5 Millionen Won. Dass das alles etwas mit der Pandemie und der daraus folgenden Wirtschaftskrise zu tun habe, sieht die Kommission allerdings nicht als erwiesen an.

Womit sollte es denn sonst zu tun haben, fragt indirekt der Wirtschaftsprofessor Kim Tai-gi von der Dankook-Universität zurück. "Lottoscheine werden in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs populär", sagt er in der Korea Times, "das ist ein normales Phänomen in vielen Ländern." Die Zeitung interviewte außerdem Lottospieler. Eine Frau Hwang kauft jeden Montag einen Schein für 1000 Won (0,71 Euro) und sagt: "Dadurch habe ich etwas, auf das ich an Werktagen hoffen kann." Ein Herr Choi erwartet keinen Gewinn: "Aber ich stelle mir vor, ein Vermögen zu machen und meinen Job zu kündigen."

Jede Hoffnung ist willkommen im Kampf gegen den Pandemie-Blues. Die Fantasie, sechs Richtige zu haben, ist für viele eine schöne Ablenkung vom Frust der Gesundheitskrise. Allerdings warnt der Wirtschaftsprofessor Kim vor Übertreibungen. Dass in Südkorea jetzt so extrem viel Lotto gespielt wird, findet er "beunruhigend": Er sagt: "Viele Leute hängen ihre Hoffnungen an unverdientes Einkommen, wie man es beim Lottospielen bekommt, beim Glücksspiel oder bei Aktienkäufen." Aber meistens hat man eben kein Glück. Wer zu fest daran glaubt, wird leicht unglücklich. Unglück wiederum ist ungesund. Es geht auch beim Lottospielen um das richtige Maß.

Und noch ein Haken: Ein Lottogewinn hilft nur Leuten, die Geld glücklich macht. Wer höhere Ansprüche hat, muss von etwas anderem träumen.

In dieser Kolumne schreiben SZ-Redakteure über die schönen, tröstlichen oder auch kuriosen kleinen Geschichten in diesen vom Coronavirus geplagten Zeiten. Alle Folgen unter sz.de/allesgute

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