Süddeutsche Zeitung

Unfälle:"Es ist eine riesige Tragödie"

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Bei einem Busunglück in Bulgarien sterben 46 Menschen. Die Ursache ist noch unklar, aber möglicherweise hat die marode Infrastruktur eine Rolle gespielt.

Von Nadeschda Scharfenberg

So etwas Schreckliches habe er noch nie gesehen, sagte der geschäftsführende bulgarische Innenminister Boiko Raschkow nach einem Besuch an der Unfallstelle. "Das ist kaum zu ertragen. Die verbrannten Leichen liegen hier übereinander auf einem Haufen." 46 Menschen waren in der Nacht auf Dienstag bei einem Busunglück ums Leben gekommen, unter ihnen zwölf Kinder. Der Reisebus hatte aus noch ungeklärter Ursache eine Leitplanke gerammt und Feuer gefangen. Sieben Fahrgäste, die ganz hinten saßen, schafften es laut bulgarischen Medienberichten, mit Gegenständen und ihren bloßen Fäusten die Heckscheibe einzuschlagen und sich vor den Flammen zu retten. Sie trugen Brandwunden und Knochenverletzungen davon. Die anderen der etwa 50 Passagiere und die beiden Fahrer verbrannten im Innenraum. Auf Bildern ist zu sehen, dass nur mehr ein Gerippe von dem Bus übrig ist.

Fast alle Reisenden stammen nach Angaben des bulgarischen Vize-Generalstaatsanwalts Borislaw Sarafow aus dem Nachbarland Nordmazedonien. Unter den Opfern sei auch ein Belgier. Die Passagiere waren für ein verlängertes Wochenende nach Istanbul gefahren, in Nordmazedonien war der Montag ein Feiertag. Sie befanden sich auf der Rückfahrt nach Hause, als das Unglück geschah. Auf der Strecke waren drei weitere Busse desselben Reiseunternehmens unterwegs. Offenbar ist nicht ganz klar, welche Passagiere in welchem Bus saßen. Viele der Toten seien noch nicht identifiziert, hieß es in den bulgarischen Medien. Dies werde mittels DNA-Analysen geschehen, weil die Leichen so stark verbrannt seien.

Verzweifelte Angehörige versammelten sich am Dienstagvormittag vor der Zentrale des Busunternehmens Besa Trans in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje, standen dort aber vor verschlossenen Türen. Auch telefonisch war das Unternehmen laut nordmazedonischen Medienberichten nicht zu erreichen.

Der Tacho ist geschmolzen

Der Unfall ereignete sich um kurz nach 2 Uhr morgens (1 Uhr MEZ) auf der Struma-Autobahn etwa 40 Kilometer südlich der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Der Ablauf lässt sich bislang nur erahnen. Auf Fotos ist zu sehen, dass die Mittelleitplanke über mehrere Meter aus der Verankerung gerissen ist. Auch die Abgrenzung zu einem Parkplatz ist stark beschädigt. Nordmazedoniens Premier Zoran Zaev berichtete von einem Gespräch mit einem der Überlebenden. Dieser habe geschlafen und sei durch eine Explosion geweckt worden. Ein anderer Überlebender berichtete laut der Online-Zeitung Dnevnik, der Bus habe die Begrenzung zu dem Parkplatz gerammt, woraufhin ein Reifen geplatzt sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft nahm Ermittlungen zur Unglücksursache auf. Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Safarow bestätigte auf einer Pressekonferenz, dass es eine Explosion gegeben habe, deren Ursache aber noch unklar sei. Spekuliert wurde auch darüber, dass der Fahrer zu schnell unterwegs gewesen sei und an der unübersichtlichen Stelle den Überblick verloren habe. Der Tacho kann laut ersten Ermittlungsergebnissen aber nicht mehr ausgewertet werden, weil er geschmolzen ist.

Marode Infrastruktur

Der Streckenabschnitt, auf dem das Unglück geschah, liegt in einer hügeligen Gegend und ist für häufige Unfälle bekannt. Nach Angaben von Diana Rusinowa vom bulgarischen Institut für Straßensicherheit wurden Mängel an den Fahrbahnmarkierungen festgestellt, diese hätten nicht reflektiert. "Wir glauben, dass der Unfall durch einen menschlichen Fehler ausgelöst wurde, aber dass die schlechte Infrastruktur zumindest eine Rolle gespielt hat", sagte sie dem Fernsehsender BTV. Ihr Kollege Bogdan Miltschew fügte hinzu, die nächste Regierung solle diesem "riesigen Problem" endlich Vorrang einräumen. In Bulgarien wurde in diesem Jahr bereits dreimal das Parlament neu gewählt, weil stets keine mehrheitsfähige Regierung zustande kam.

Die nordmazedonische Regierung ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Regierungschef Zaev und Außenminister Bujar Osmani trafen wenige Stunden nach dem Unglück in Sofia ein. Sie besuchten die sieben Verletzten, die alle außer Lebensgefahr sind, in einer Notfallklinik. Die bulgarische Regierung sicherte allen Angehörigen sowie Journalistinnen und Journalisten aus dem Nachbarland eine ungehinderte Einreise zu. Interims-Regierungschef Stefan Janew fuhr zum Unglücksort und äußerte sich dort tief betroffen: "Es ist eine riesige Tragödie."

Mit Material der dpa

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