Süddeutsche Zeitung

Boris Becker in Haft:Der Promi-Häftling

Lesezeit: 3 min

Wie es Boris Becker nach einem halben Jahr hinter Gittern geht? Ein Lieblingsthema der Boulevardpresse - und seines Medienanwalts.

Von Moritz Geier

Über das sehr spezielle Innenleben von Gefängnisanstalten weiß der durchschnittliche Nichtinsasse vorwiegend aus zwei Quellen Bescheid: Hollywoodfilmen und den Berichten mehr oder weniger rehabilitierter Prominenter, Personen des sogenannten öffentlichen Lebens also, deren nichtöffentliche Zeit im Gefängnis ihnen hinterher immerhin einen gewissen Anekdotenreichtum beschert.

Uli Hoeneß zum Beispiel, der wegen Steuerhinterziehung einige nichtöffentliche Monate in der Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech verbrachte, schilderte später der Zeit jene schon fast epische Szene, als er in der gefängniseigenen Basilika dem "Capo von den Russen" begegnete. Diesem sei die Kommunion verweigert worden, also habe Hoeneß seine eigene Hostie gebrochen und dem Mann aus dem Hochsicherheitstrakt die Hälfte überlassen. Am nächsten Tag sei ihm dann eine Botschaft übermittelt worden: Von nun an sei er hier geschützt, "schönen Gruß von den Russen".

Hollywood ist nichts dagegen.

Komplexer ist die Quellenlage dagegen noch im Fall des derzeit wohl berühmtesten deutschen Insassen. Genau ein halbes Jahr sitzt Boris Becker jetzt im Gefängnis, am 29. April war er in London zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er seinen Insolvenzverwaltern Vermögenswerte in Millionenhöhe verschwiegen hatte. Und natürlich fragen sich die Leute jetzt, wie es ihm geht. Becker hat die Menschen fasziniert, als er ganz oben war, ein deutsches Wunderkind, ein Winner-Typ, ein Tennisgott. Er interessiert sie auch jetzt noch, da er ziemlich weit unten angekommen ist.

Becker als Yoga-Trainer? Sein Medienanwalt sagt: Stimmt nicht

Anders lässt sich die Fülle an "Wie es Becker im Knast ergeht"-Geschichten in deutschen und britischen Boulevardmedien ja gar nicht erklären, wobei als Quelle hier naturgemäß weder Hollywood in Betracht kommt noch die Person des nicht mehr öffentlichen Lebens selbst. Die Bild-Zeitung beruft sich also auf einen Informanten aus "Beckers engstem Umfeld", wenn sie schreibt, dass der Ex-Sportler bei seinen Mithäftlingen beliebt sei, acht Kilo abgenommen habe, im gefängniseigenen Fitnessstudio trainiere und den eigentlichen Gefängnis-Coach für Fitness und Psychologie als "eine Art Assistenz-Lehrer" unterstütze. Er unterrichte etwa 45 Mithäftlinge "in Fitness, Ernährung, Krisenmanagement sowie einer speziellen Art von Yoga und Meditation", weil er sich als Sportler ja bestens auskenne "mit Siegen und Niederlagen".

Beckers Medienanwalt Christian-Oliver Moser möchte sich dazu nicht äußern, er verweist auf ein paar knappe Sätze, die er kürzlich der Deutschen Presse-Agentur diktierte. Erstens: "Unserem Mandanten, Boris Becker, geht es weiterhin den Umständen entsprechend gut und er fügt sich konstruktiv in den Gefängnisalltag ein." Zweitens: Becker könne jederzeit telefonieren und mit seiner Außenwelt kommunizieren. Drittens: "Weitere Details seines Gefängnisaufenthalts unterliegen der geschützten Privatsphäre." Und was die Bild-Zeitung spekuliere, das sagt er dann der SZ immerhin noch, "dass er irgendwie Yoga-Trainer sei", das könne er überhaupt nicht bestätigen.

Boris Becker bewohnt seit Mitte Mai - dies ist durch offizielle Quellen ausnahmsweise zweifelsfrei belegt - eine Zelle im Huntercombe-Gefängnis zwischen London und Oxford, einer Anstalt mit einer niedrigen Sicherheitsstufe für etwa 480 verurteilte Männer aus dem Ausland. Zuvor allerdings musste er einen kleinen Teil seiner Haft im berüchtigten Wandsworth-Gefängnis absitzen, dessen Geräuschkulisse ein Ex-Insasse dem Sender RTL mal so beschrieben hat: "Schreien, Grunzen, Bellen, Schimpfen, Lachen, Weinen, Streiten, Kämpfen, Heulen".

Von Beckers früherem Triumph-Ort Wimbledon soll Wandsworth keine drei Kilometer Luftlinie entfernt liegen, wenn man den Stadtkarten glaubt, in Wahrheit aber steht es für Wimbledon und seine Heroen irgendwie doch auf der anderen Seite der Welt. Auch Becker dürfte froh gewesen sein, als er nach Huntercombe umziehen durfte. Sein Anwalt noch mal dazu: "Gucken Sie sich die Internetseiten der beiden Gefängnisse an. Und sehen Sie sich die Sicherheitsstufen an, dann sehen Sie ja schon, dass da qualitative Unterschiede sind."

In Huntercombe jedenfalls haben Häftlinge tatsächlich die Option, ein Fitnessstudio zu nutzen, auch Fußball oder Basketball soll möglich sein, Tennis aber offenbar nicht. Fortbilden können sich die Insassen nicht nur in Englisch oder Mathe, sondern auch im Maurern, Malern, in der Gebäudereinigung und der Küchenarbeit.

Bleibt die Frage, wie lang Becker dort noch einsitzen muss. Beim Urteil hieß es, die zweite Hälfte seiner Haftstrafe könne voraussichtlich auf Bewährung ausgesetzt werden, was also nach 15 Monaten der Fall sein könnte. Ebenso unklar ist noch, ob Becker dann in London bleiben kann, wo er seit rund zehn Jahren seinen Lebensmittelpunkt hat und wo auch seine derzeitige Partnerin, Lilian de Carvalho Monteiro, lebt. Jeder ausländische Staatsbürger, der wegen einer Straftat zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werde, komme für eine Abschiebung "zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Betracht", hatte das britische Innenministerium vor einigen Monaten verlauten lassen.

Wie es Boris Becker bis dahin ergangen ist? Vermutlich wird er das irgendwann schon selbst erzählen, wenn er wieder eine Person des öffentlichen Lebens ist.

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