Süddeutsche Zeitung

Berlin:Tod einer Grundschülerin

Lesezeit: 2 min

Von Jens Schneider, Berlin

Auch mehrere Tage nach den ersten Berichten über den Tod einer elfjährigen Grundschülerin aus Berlin fällt auf, dass viel geredet und geschrieben wird, aber wenig an Tatsachen bekannt ist. Das Mädchen soll sich in der vergangenen Woche nach dem Schulbesuch allein in seinem Zimmer selbst verletzt haben. Später sei es im Krankenhaus gestorben.

Am Samstagabend haben vor der Schule des Mädchens in Reinickendorf etwa 150 Menschen an einer Mahnwache teilgenommen, unter ihnen besorgte Eltern anderer Schüler. Die Rede ist von Mobbing an der Schule, bundesweit wird über den Fall berichtet. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte : "Es ist erschütternd, welche tragischen Folgen Mobbing haben kann. Es geht durch alle gesellschaftlichen Schichten und jede Schulform." Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) zeigt sich "sehr betroffen", Bildungssenatorin Sandra Scheeres verspricht Aufklärung.

Von der Berliner Polizei gab es bis Montagnachmittag keine neuen Erkenntnisse. Man weiß nur, dass das Landeskriminalamt ein sogenanntes Todesermittlungsverfahren führt, das ist in solchen Fällen üblich. Die Staatsanwaltschaft will den Leichnam des Mädchens "zeitnah" obduzieren. Die Bildungsverwaltung bestätigt den Todesfall, zu den weiteren Umständen erteilt sie keine Auskünfte. Von anderen Eltern der Grundschule wird berichtet, dass es dort massive Vorfälle von Mobbing gegeben habe. Einige sollen Vorwürfe gegen die Schulleitung erhoben haben, diese habe die Fälle nicht ernst genug genommen. Das Thema werde unterschätzt.

"Es gibt natürlich Gekabbel, aber nicht Mobbing"

Die Direktorin der Schule widerspricht. Sie sagte dem Rundfunk Berlin Brandenburg, dass es im vergangenen Schuljahr in der Klasse des Mädchens Vorfälle gegeben habe. Es seien Eltern auf sie zugekommen und man habe sich mit Schulsozialarbeitern und der Klassenlehrerin zusammengesetzt. "Wir haben dann mit den Mädchen darüber gesprochen und Zielvereinbarungen getroffen", wird die Schulleiterin zitiert. Am Ende des Jahres habe ein Teil der Mädchen die Schule verlassen, seit Beginn des laufenden Schuljahres sei Ruhe eingekehrt.

Die Schulleiterin sagt: "Es gibt natürlich Gekabbel, aber nicht Mobbing, wo über längere Zeit ein Kind wirklich unter Druck gesetzt und malträtiert wird." Es habe in diesem Schuljahr keinen Anlass gegeben, in der Klasse handeln zu müssen. Es werde auch nichts unter den Teppich gekehrt. Aus der Berliner Verwaltung heißt es, dass an der Schule Krisenpsychologen eingesetzt würden, um Mitschüler des verstorbenen Mädchens zu betreuen. In Berlin sind allerdings diese Woche Winterferien, deshalb ruht der Unterricht.

Schulexperten aus der Landespolitik haben angekündigt, den Fall zu untersuchen. Hildegard Bentele, bildungspolitische Sprecherin der Berliner CDU-Fraktion, hat "nach dem erschütternden Suizid einer Grundschülerin" eine Anhörung zum Thema Mobbing im Bildungsausschuss beantragt. Sie spricht von einer Verzweiflungstat, man wolle weitere Hintergründe erfahren und die richtigen Schlussfolgerungen daraus ziehen. "Das Thema schwelt schon lange, deshalb müssen wir uns selbstkritisch mit der Frage auseinandersetzen: Wird an unseren Schulen und im schulischen Umfeld alles getan, damit so etwas nicht wieder passiert?"

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4316513
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.