Süddeutsche Zeitung

Bahn:Übergriffe mit Kaffee und Kinderwagen

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Von Verena Mayer, Berlin

Wie sicher kann man sich auf deutschen Bahnhöfen fühlen? Das ist eine Frage, die nicht nur Leute mit Kriminalitätsfurcht beschäftigt, wie das subjektive Unsicherheitsgefühl im öffentlichen Raum genannt wird, das sich meist nicht mit der Realität deckt. Und so kommt auch der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, gleich auf Terror und Gewalt zu sprechen, als es am Montag im gläsernen Berliner Tower der Deutschen Bahn um die Sicherheit auf Bahnhöfen geht.

Demnach muss man nach den Attentaten von Paris und Brüssel nicht nur mit terroristischen Angriffen rechnen, es habe jüngst auch schon einen einschlägigen Versuch gegeben, sagte Romann. So hat im Februar auf dem Hauptbahnhof von Hannover eine 15-Jährige, die offenbar Kontakt zur Terrormiliz IS hatte, einem Polizisten vollkommen unvermittelt ein sechs Zentimeter langes Messer in den Hals gerammt. Gegen das Mädchen ermittelt derzeit die Bundesanwaltschaft. "Die Gefahrenlage ist hoch", so der Polizeipräsident. Auch hätten die große Zahl an Flüchtlingen, die versorgt werden mussten, sowie die Ereignisse der Silvesternacht auf dem Kölner Hauptbahnhof dazu beigetragen, dass es 2015 "nicht ganz einfach" war auf deutschen Bahnhöfen.

Sieht man sich allerdings genau an, wer im Zugverkehr die meisten Probleme macht, trifft man auf altbekannte Phänomene: randalierende Fußballfans und Hooligans nämlich, die man in Zukunft schon auf dem Bahnsteig daran hindern will, einen Zug zu besteigen, sollten sie gewalttätig werden. In München kommen noch betrunkene Oktoberfestbesucher hinzu, die für einen Gutteil der Vorfälle in Bayern verantwortlich sind. Und dann sind da noch die vielen Reisenden, die das Zugpersonal attackieren. So wurden im vergangenen Jahr 1200 Übergriffe bei der Polizei angezeigt, weitere 600 wurden intern gemeldet - das ist ein Fünftel mehr als noch 2014.

Die Aggression steigt an, und zwar quer durch alle Schichten

Ernste Verletzungen seien zwar die Ausnahme, sagte der Sicherheitschef der Deutschen Bahn, Hans-Hilmar Rischke. Die Aggression würde aber ansteigen und zwar quer durch alle Schichten. Da spuckten Jugendliche das Zugpersonal an oder hetzten Männer eine Schaffnerin quer durch den Zug. Ein etwa 70-jähriges deutsches Ehepaar, das seine Fahrkarte nicht bezahlen wollte, schubste einen Zugbegleiter aus dem Waggon, eine Mutter rammte einen Bahn-Mitarbeiter mit dem Kinderwagen, sodass er stürzte und bewusstlos wurde, und ein Geschäftsmann, der beim Schwarzfahren erwischt worden war, schüttete dem Personal heißen Kaffee ins Gesicht.

Anders als es vermutlich dem subjektiven Unsicherheitsgefühl vieler Deutscher entspricht, ging die Kriminalität auf Bahnhöfen und in Zügen insgesamt allerdings zurück. Die Bahn verzeichnete im vergangenen Jahr 58 200 Straftaten, das sind drei Prozent weniger als 2014. Die meisten Straftäter sind Schwarzfahrer, dazu kommen Taschendiebstähle von teilweise organisierten Banden sowie junge Leute, die sich auf Bahnhöfen in die Haare geraten. Fahrkartenautomaten werden aufgebrochen, und was ebenfalls oft vorkommt, ist der Diebstahl von Metall, also etwa von Leitungen, die auf Bahnhöfen abmontiert werden. Sie sind der Grund für die Verspätung von rund 7000 Zügen im vergangenen Jahr.

Mehr Sicherheitspersonal, Hunde und vor allem Videoüberwachung

Zur Frage, was getan werde, um Bahnhöfe und den Zugverkehr besser zu schützen, ließen Deutsche Bahn und Bundespolizei verlauten, dass man auf mehr Sicherheitspersonal, Hunde und vor allem Videoüberwachung setze. So sollen noch 2016 die Bahnhöfe in Bremen, Nürnberg, Hannover und Köln flächendeckend mit Kameras ausgerüstet werden.

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Quelle:
SZ vom 26.04.2016
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