Süddeutsche Zeitung

Australien und der Zyklon Yasi:Die Spur des Killers

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Es ist einer der schlimmsten Wirbelstürme aller Zeiten: Mit fast 300 Stundenkilometern fegt "Yasi" über den australischen Bundesstaat Queensland. Wer sich jetzt nicht in Sicherheit gebracht hat, dem können selbst die Rettungskräfte nicht mehr helfen.

Urs Wälterlin

Australien erlebt eine Prüfung biblischen Ausmaßes. In der Nacht zum Donnerstag australischer Zeit (von Mittwochnachmittag deutscher Zeit an) wütete der Zyklon Yasi mit Spitzenböen von fast 300 Stundenkilometern über der Küstenregion zwischen Cairns und Townsville im Bundesstaat Queensland. "Regen und Wind sind so stark, wie ich es noch nie erlebt habe", sagte gegen Mitternacht Robert White, der sich in Townsville in seinem Apartment verschanzt hatte, per Mobiltelefon. Er habe beobachtet, wie im Hafen eine Yacht weggetrieben wurde und sank. Zu diesem Zeitpunkt hatten lediglich erste Vorboten des Unwetters die Küste getroffen.

Etwa 250.000 Menschen leben in den betroffenen Küstenregionen. Die Ministerpräsidentin von Queensland, Anna Bligh, hatte in einer Pressekonferenz vor einer "Katastrophe" gesprochen, die auf Queensland zukomme. Sie hatte vor bis zu neun Meter hohen Sturmfluten gewarnt, die Teile der Küste überspülen könnten. Es werde Zerstörungen und Leid ungekannten Ausmaßes geben, sagte sie.

Schon die ersten Ausläufer des Sturmes entwurzelten Bäume, knickten Strommasten, deckten Häuser ab. Bis Mitternacht Ortszeit waren 150.000 Haushalte ohne Strom. An Orten, die voll vom Sturm getroffen wurden, war dann in ersten Augenzeugenberichten von "unglaublichen Verwüstungen" in Innisfail, Tully, Cardwell, Silkwood und El Arish die Rede. Häuser seien total zerschmettert worden. "Es ist unfassbar still, alle Vögel sind geflohen. Wie im Katastrophenfilm", sagte ein Anwohner. In Townsville standen 4000 Soldaten bereit, um Katastrophenhilfe zu leisten. Experten gehen davon aus, dass die Unwetter über Nordqueensland mindestens 48 Stunden anhalten werden.

Zuvor hatten die Meteorologen Yasi auf die Kategorie fünf hochgestuft, auf die höchste Gefahrenstufe für Zyklone - am Morgen begann er sich dann über dem Festland wieder allmählich abzuschwächen. Der Wirbelsturm mit einem Durchmesser von 600 Kilometern ist vergleichbar mit dem Hurrikan Katrina, der im Jahr 2005 Teile der Südküste der Vereinigten Staaten und die Stadt New Orleans verwüstet hatte. Bereits 2006 richtete ein Zyklon bei Innisfail südlich von Cairns verheerende Schäden an. Der bisher folgenschwerste Wirbelsturm in der jüngeren Geschichte Australiens war Tracy. Dieser Zyklon der Kategorie vier hatte 1974 die Stadt Darwin zerstört. 71 Menschen kamen damals um.

Viele Bewohner hatten Anfang der Woche die gefährdeten Gebiete verlassen - zum Teil gegen ihren Willen. Am Mittwoch konnten die von der Regierung erstellten zyklonsicheren Evakuierungszentren dem Ansturm der Schutzsuchenden nicht mehr standhalten. Sicherheitskräfte mussten Menschen abweisen. In Cairns wurde ein großes Einkaufszentrum zur Notunterkunft für 2000 Schutzsuchende. Wer zu Hause blieb, verschanzte sich zwischen Koffern und Kissen, und zwar im kleinsten Raum, so wie es von den Behörden empfohlen worden war. In Innisfail griff Gail Simpson zum Schweißgerät, um ihr 100 Jahre altes Pub Goondi Hill vor dem Sturm zu schützen. "Mein Mann hat alle Türen zugeschweißt", erzählte sie in einem Fernsehbericht.

Bereits am Dienstag waren die Insassen von Altersheimen und Krankenhäusern mit Maschinen der Luftwaffe und der Flying Doctors in Städte im Süden geflogen worden. Der Luftraum im Gefahrengebiet und selbst internationale Flughäfen wie Cairns wurden am Mittwochnachmittag gesperrt. Die Polizei hatte über Tage klargemacht, niemandem mehr helfen zu können, sobald sich der Zyklon in Küstennähe befinde. Trotzdem kam es am Abend zu verzweifelten Anrufen in der Nothilfezentrale. Eine Gruppe von sechs Personen, die sich geweigert hatte, ihre von der Überflutung bedrohte Wohnung in Port Hinchinbrook zu verlassen, kämpfte in der Nacht um ihr Leben.

Die Wahrscheinlichkeit großer Personen- und Sachschäden hatte am Mittwoch an der australischen Börse bereits Konsequenzen. Die Aktien von Versicherungsunternehmen wie Insurance Australia Group und der in Queensland beheimateten Suncorp kamen unter Druck.

Die Region um Innisfail ist für ihre Bananen bekannt. Im Jahr 2006 vernichtete der Wirbelsturm Larry die gesamte Ernte und den Großteil der Bananenpflanzen. 2000 Häuser wurden zerstört. Viele der Bewohner der Stadt hatten sich erst gerade von diesem Schlag Schicksalsschlag erholt, als sie sich der Bedrohung durch Yasi gegenübersahen.

Besonders leiden wird auch der Tourismus in Queensland. Die dortige Tourismusindustrie beschäftigt direkt etwa 122.000 Personen, 5,7 Prozent aller Werktätigen im Bundesstaat. Der Tourismus erwirtschaftet pro Jahr etwa 3,9 Milliarden australische Dollar, das sind 4,7 Prozent des Bruttosozialprodukts von Queensland.

Die Region um Cairns könnte heftig unter einem Einbruch der Besucherzahlen leiden. Zusammen mit der Stadt Port Douglas ist Cairns der Ausgangspunkt für Schiffsfahrten zum Barrier Reef - das größte Korallenriff der Welt und eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten für Australien-Touristen. Urlauber, die ihre Reise erst jetzt antreten wollen, sollten ihre Fluglinie oder ihr Reisebüro kontaktieren.

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SZ vom 03.02.2011
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