Süddeutsche Zeitung

Feuer in Australien:"Es sieht einfach nur gespenstisch aus"

Lesezeit: 4 min

Auf Kangaroo Island vor der Südküste des Landes haben die Flammen einen Nationalpark erfasst. Ein Bewohner erzählt, wie überraschend die Katastrophe über ihn hereinbrach und warum er trotzdem an die Regeneration der Natur glaubt.

Von Katja Trippel, Adelaide

Auf der beliebten südaustralischen Urlaubsinsel Kangaroo Island haben die Flammen 1600 Quadratkilometer Natur in eine Aschelandschaft verwandelt, darunter auch den Großteil des einzigartigen Naturparks "Flinders Chase" im Westen der Insel. Flugzeuge und Soldaten helfen den Feuerwehrleuten beim Löschen, doch Temperaturen um die 40 Grad und starke Winde fachen das Feuer immer wieder an. Die meisten der etwa 5000 Einwohner haben sich in der etwa 100 Kilometer entfernten Inselhauptstadt Kingscote oder im Fährhafen Penneshaw in Sicherheit gebracht. Joe Tippett betreibt mit seiner Frau das Café im Besucherzentrum des Parks. Er ist 56, auch wenn er sich gerade wie 66 fühlt, wie er sagt. Während des Interviews bricht er mehrmals kurz in Tränen aus, will aber unbedingt weiter telefonieren. Denn er hat eine Botschaft für deutsche Australien-Reisende.

SZ: Joe, Sie haben durch das Feuer Ihr Café verloren. Wie geht es Ihnen?

Joe Tippett ( atmet tief ein): Alles weg, nur noch Asche. Die Küche. Die Terrasse. Der Souvenirshop. Vom Besucherzentrum sind nur die steinernen Wände und die Dachträger übrig geblieben. Die ganze Landschaft drumrum ist verkohlt. Ich war gestern zum ersten Mal dort, es sieht einfach nur gespenstisch aus. ( Kurze Pause, er unterdrückt ein Schluchzen.) Sorry, ich bin etwas emotional. Wissen Sie, das war nicht nur ein Feuer, das war eine unaufhaltsame Naturgewalt, und sie ist zur schlimmsten Zeit losgebrochen: Wir haben Weihnachtsferien, Hauptsaison. 13 Leute arbeiteten für mich, Lager, Kühlschränke und die Regale im Shop waren voll bis oben hin. Alles weg. Genau wie mein Haus.

Ihr Haus ist auch abgebrannt?

Nicht unser Hauptwohnsitz in Kingscote, aber unser Haus hier oben, in dem ich unter der Woche meist übernachte. Nun, man muss sagen: übernachtete. Ich hatte es frisch renoviert.

Was ist passiert auf Kangaroo Island?

Am 20. Dezember haben Blitze die ersten Feuer an der Nordküste der Insel ausgelöst. Sie konnten nicht richtig gelöscht werden und schwelten weiter - auch, weil die Löschflugzeuge damit beschäftigt waren, die Feuer im Osten Australiens zu bekämpfen. Als die Wetterlage Anfang des Jahres kritisch wurde, hat der Nationalpark sicherheitshalber geschlossen. Ich schickte meine Leute nach Hause, schnitt noch etwas Unterholz rund um das Besucherzentrum weg und entschied, am nächsten Morgen zurückzukommen, um ein paar Vorräte in Sicherheit zu bringen. Ich ging ernsthaft davon aus, uns passiert nichts - die Feuerfront war ja meilenweit entfernt. Tja. Freitagfrüh haben starke Böen sie in nur wenigen Stunden zu uns gedrückt. Alle Bewohner im Nordwesten mussten fliehen, die Feuerwehr konnte nicht mehr für unsere Sicherheit garantieren.

Sie haben die Zerstörung also nicht selbst miterlebt?

Nur indirekt. Mein Handy piepste auf dem Weg nach Kingscote, weil die Videoüberwachung des Cafés verdächtige Bewegungen gemeldet hatte. Und so verfolgte ich auf dem Display meines Telefons, was dort geschah: Feuerwehrleute rannten mit Schläuchen herum, verkohlte Blätter wehten durch verrauchte Luft, lichterloh brennende Bäume krachten auf das Dach, Funken sprühten, die Stühle auf der Terrasse begannen zu schmelzen, die Fenster barsten. Schließlich hörte ich einen Feuerwehrmann schreien "Raus hier, alle raus!", dann brach die Stromversorgung weg. Mir war klar: Dieses Inferno übersteht kein Haus in der Gegend. 56 Häuser sind abgebrannt, es gab keine Chance, sie zu retten. (Er muss erneut kurz unterbrechen.) Wissen Sie, wir erleben harte Zeiten in Australien. Echt harte Zeiten. Aber wir Aussies lassen uns nicht unterkriegen. Wir bauen alles wieder auf, und die Vegetation erholt sich. Bald ist der Park wieder grün, und die Tiere werden zurückkommen, die Wallabys, die Possums, die Vögel. Auch 2007 hat es gebrannt, nicht halb so schlimm wie diesmal, aber zu beobachten, wie schnell die Natur wieder auflebt, das war phänomenal.

Darf ich fragen, wie Sie reagierten, als Ihnen klar wurde, was die Feuer anrichten?

Ich habe am ganzen Leib gezittert und geweint, wir haben alle geweint. Oh nein, sorry, jetzt geht das Geheule schon wieder los... (Er fängt sich.) Wir konnten einfach nicht glauben, dass alles zerstört ist. Mittlerweile sind wir dankbar: Wir leben, sind unverletzt, haben keine Lieben verloren. Wissen Sie, zwei Insulaner, Vater und Sohn, starben, als ihr Auto vom Feuer eingekesselt wurde. Und dann die Tiere. Es sind wohl um die 100 000 Schafe umgekommen, 4000 Rinder, 1000 Bienenvölker, geschätzte 25 000 Koalas sowie unzählige andere Beuteltiere, Vögel und Reptilien.

Wie ist die Situation derzeit auf der Insel?

Es ist aktuell wieder sehr gefährlich. Aber mittlerweile kämpfen nicht mehr nur ein paar tapfere Feuerwehrleute gegen die Flammen, sondern weit über 100. Die Techniker arbeiten Tag und Nacht, Soldaten schaffen Wasser nach Kingscote, installieren Pumpen und Filteranlagen, helfen den Farmern, die verbrannten Tiere zu begraben oder Straßen freizuräumen. Außerdem werden wir unendlich großzügig versorgt mit Spenden und Lebensmitteln, freiwillige Helfer bieten psychologische Unterstützung an, andere bauen Zäune wieder auf oder kümmern sich um verletzte oder hungrige Koalas. Sie alle helfen, weil sie die Insel so lieben. Das tröstet sehr.

Haben Sie schon eine Idee, wie es für Sie beruflich weitergeht?

Ich verbringe meine Tage mit Papierkram und meine schlaflosen Nächte mit Pläneschmieden. Meine Frau und ich haben überlegt, mit einer Art Catering für die Busgruppen anzufangen, die auf die Insel kommen. Sie aßen meist im Café im Nationalpark zu Mittag und müssen ja nun irgendwie anders versorgt werden.

Was brauchen Sie nun am dringendsten?

Regen. Geld für den Wiederaufbau, aber viel wichtiger: Besucher. Ich bitte alle, die vorhatten, Kangaroo Island zu besuchen, gerade die vielen deutschen Touristen, die im Land sind: Kommt rüber! Zwei Drittel der Insel sind unversehrt und so wunderschön wie eh und je.

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Quelle:
SZ vom 10.01.2020
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