Süddeutsche Zeitung

Afghanistan:Auch Deutschland will den Erdbebenopfern helfen

Lesezeit: 2 min

Die Bundesregierung sagt Unterstützung zu - auch wenn in dem Land die radikal-islamischen Taliban regieren. Sie sprechen von mehr als 1000 Toten, Regen erschwert die Rettungsarbeiten.

Nach dem verheerenden Erdbeben in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion erschwert Regen die Rettungsarbeiten. Mindestens 1000 Tote und 1500 Verletzte beklagten die Behörden, wie die staatliche Nachrichtenagentur Bakhtar meldete. Mit Händen gruben sich Helfer weiter vor und versorgten Überlebende mit Essen und Kleidung. Zudem wurden Massengräber ausgehoben.

Das gewaltige Beben hatte zahlreiche Bewohner am frühen Mittwochmorgen aufgeschreckt. "Viele Leichen sind noch nicht geborgen worden. Einige befinden sich in den Häusern und einige unter den Trümmern", sagte ein Bewohner der betroffenen Gebiete im Osten des Landes dem TV-Sender Tolonews. "Wir brauchen Kräne, sie sollen unsere Häuser aufbauen, und sie sollen uns Zelte bringen. Wir haben die Nacht draußen in den Bergen verbracht", klagte der Mann. "Es wird erwartet, dass die Zahl der Opfer noch steigen wird, da die Such- und Rettungsmaßnahmen noch andauern", teilte das UN-Nothilfebüro (OCHA) mit.

Mehrere Hilfsorganisationen sicherten dem Land inzwischen Unterstützung zu - und auch die Bundesregierung. Sie will den betroffenen Menschen helfen, ohne die regierende Taliban anzuerkennen. Die unmittelbare humanitäre Hilfe erfolge unabhängig von der politischen Lage, sagte Niels Annen (SPD), Staatssekretär im Entwicklungsministerium, im Deutschlandfunk. Sie solle vorwiegend über internationale Nichtregierungsorganisationen und die Vereinten Nationen erfolgen.

Die Unterstützung werde mit den Taliban abgestimmt, ohne die Regierung anzuerkennen, sagte Annen. Die Taliban seien eine extremistische Organisation. Man müsse beim Umgang mit der afghanischen Regierung "sehr, sehr skeptisch bleiben", sagte Annen, der unter anderem auf die Diskriminierung von Frauen und Mädchen beim Schulbesuch verwies. "Wir haben den Eindruck, dass sich die Hardliner innerhalb der Taliban in den letzten Wochen und Monaten durchgesetzt haben."

Viele Hilfsorganisationen sind nicht mehr vor Ort

Der SPD-Berichterstatter im Bundestagsausschuss für humanitäre Hilfe und Menschenrechte, Rainer Keller, forderte rasche Unterstützung durch Deutschland. Das Erdbeben sei auch deshalb eine Katastrophe, weil es nach der Machtübernahme der Taliban keine diplomatischen Beziehungen gebe und viele Hilfsorganisationen gar nicht vor Ort seien. Daher sei schnelles Handeln das Gebot der Stunde.

"Das Erdbeben in Afghanistan erschüttert ein Land, in dem rund 20 Millionen Menschen nicht mehr wissen, wie sie sich ernähren sollen", sagte der Welthungerhilfe-Landesdirektor in Kabul, Thomas ten Boer. "Die lokalen Behörden haben bereits signalisiert, dass Hilfe von außen willkommen sei. Das zeigt, dass aus eigener Kraft die Katastrophe, deren Ausmaß noch nicht genau bekannt ist, kaum zu bewältigen ist", so ten Boer. Die Taliban-Führung sprach den Opfern ihr Mitgefühl und Beileid aus.

Nach Angaben des OCHA wurden bis zu 1800 Häuser in den betroffenen Provinzen zerstört. Afghanische Medien berichteten, ein Dorf sei komplett zerstört worden. Die Bauweise in der armen und wirtschaftlich schwachen Region ist aus Kostengründen nicht erdbebensicher, viele Familien leben dicht zusammen. Zudem ist das betroffene Terrain bergig und abgelegen.

Die militant-islamistischen Taliban, die seit August 2021 wieder in Afghanistan herrschen, riefen eine Notsitzung des Kabinetts zusammen. Mehrere Hubschrauber wurden in die Unglücksregion geschickt, um den Menschen zu helfen. Einen solchen Horror habe er noch nie erlebt, sagte Chalid Sadran, Polizeisprecher der amtierenden Taliban-Regierung, am Donnerstag. "Obwohl wir unser Leben mit Bombenexplosionen verbracht haben." Und weiter: "Es war nicht zu ertragen. Wir haben für sie Essen vom Armeekorps vorbereitet. Sie waren hungrig, müde und verängstigt. Dann begann es zu regnen."

Das Erdbebenüberwachungsnetz des United States Geological Survey (USGS) vermeldete für das Beben die Stärke 5,9 sowie ein etwas schwächeres Nachbeben. Demnach befand sich das Zentrum des Bebens rund 50 Kilometer südwestlich der Stadt Chost nahe der Grenze zu Pakistan in rund zehn Kilometern Tiefe. Pakistanische Behörden hatten das Beben mit einer Stärke von 6,1 registriert.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5607561
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dpa/epd/kast
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.