Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Bau-Geschichten:Kulturelle Magneten

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Den Expressionisten Franz Marc und Heinrich Campendonk verdanken Kochel und Penzberg den Zustrom von Touristen.

Von Alexandra Vecchiato, Kochel am See/Penzberg

Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Ein Betonklotz neben der hübschen historischen Villa - das war vielen Kochlern ein Graus. Auch er habe es sich zunächst nicht so recht vorstellen können, sagt Bürgermeister Thomas Holz (CSU). Das ist nun neun Jahre her. Die anfängliche Kritik ist längst verflogen. Das neue Franz-Marc-Museum ist zum Wahrzeichen der Gemeinde Kochel geworden wie Herzogstand, Kochel- und Walchensee.

Die Einweihung des Franz-Marc-Museums im Jahr 2008 war eine seiner ersten Amtshandlungen als neuer Bürgermeister der Gemeinde, erzählt Holz. Nach dem Spatenstich im Jahr davor und der monströs wirkenden Baugrube habe es arg rumort im Ort. "Na, denen da oben werd' des schon gefallen", habe es geheißen. Klar, dachte sich Holz damals, ein Museumsbau muss funktionell sein. Und er dürfe auch ein wenig anders daherkommen. Denn der Künstler, dem das Haus gewidmet ist, habe zu seiner Zeit als Expressionist auch herkömmliche Pfade verlassen. "Die Architektur passt zu Franz Marc. Sie passt von innen nach außen und andersherum", sagt der 41-Jährige.

Wer sich vom Parkplatz aus auf den Weg den Hügel hoch durch den Franz-Marc-Park macht, den erwartet ein außergewöhnliches Ensemble. Alt- und Neubau harmonieren perfekt. Der schlichte Kubus des neuen Museums mit seiner Fassade aus Crailsheimer Muschelkalk dominiert keineswegs. Im Gegenteil, er fügt sich in die Landschaft ein. "Es ist ein wertvolles architektonisches Gebäude", sagt Holz, der gleichzeitig betont, dass er ein Laie auf diesem Gebiet sei. Aber eines wisse er: "Es gibt nur noch lobende Worte. Ansonsten macht sich doch keiner mehr großartig Gedanken über den Baustil."

Als Bürgermeister sitzt Holz im Kuratorium des Museums. Offizielle Termine sind keine Seltenheit in dem repräsentativen Haus. Auch privat findet man Holz im Museum. "Klar, kommt Besuch, wo geht man dann hin? Ins Franz-Marc-Museum, auf den Herzogstand und ins Trimini." Einen Raum schätzt er besonders. Es ist wohl auch der schönste, wenngleich nicht der Kunst wegen. Im zweiten Obergeschoss weitet ein großzügiges Fenster den Blick auf den Kochelsee und die Bergkulisse. "Hier finden Trauungen statt. Das ist für mich und die Rathausmitarbeiter immer etwas ganz Besonderes, wenn in diesem Raum zwei Menschen den Bund der Ehe schließen." Er sei sehr gerne dort, in dieser "ganz anderen Atmosphäre". Ansonsten ist Holz vor dem "Springenden Pferd" von Franz Marc zu finden - seinem Lieblingsgemälde. Dass das Museum im Schnitt bis zu 60 000 Besucher im Jahr in die kleine oberbayerische Gemeinde bringt, sei kein Problem. "Wir vertragen auch 100 000", betont Holz. Das Marc-Museum sei ein Alleinstellungsmerkmal und ein "wesentlicher Faktor" im Tourismus.

Gute 14 Kilometer von Kochel entfernt liegt die Stadt Penzberg im Landkreis Weilheim-Schongau. Auch dort ist das Stadtmuseum, ein ehemaliges Bergarbeiterhaus, um einen modernen, in seiner Formensprache reduzierten Zwillingsbau erweitert worden. Auch dort dient der Neubau der Präsentation der Werke eines expressionistischen Künstlers. Weshalb das Museum Penzberg den Beinamen "Sammlung Campendonk" trägt. Im Jahr 2002 wagte die damalige Museumsbeauftragte der Stadt, Gisela Geiger, eine erste Ausstellung mit Heinrich Campendonk. An ihrer Seite: Tom Sendl, damals als Abteilungsleiter im Rathaus für die Kultur in Penzberg zuständig. Nach dem Erfolg dieser Schau sei die Idee geboren worden, dem gebürtigen Krefelder, der auf Einladung von Franz Marc 1911 nach Sindelsdorf kam, ein Museum zu widmen, erinnert sich Sendl. Das alte Stadtmuseum wurde hergerichtet, damit man dort überhaupt Bilder hängen durfte. Das war aber keine Dauerlösung für den Fall, dass tatsächlich eine Sammlung aufgebaut werden sollte. "Ein steiniger Weg", sagt Sendl.

Viele Ideen gab es und ein schier endloses Ringen mit dem Stadtrat um die Finanzierung. In jener Zeit habe er sich als Vermittler zwischen den Museumsbefürwortern, dem Stadtrat und der Verwaltung gesehen. Relativ viele graue Haare habe ihm das eingebracht, sagt der 59-Jährige. Sendl erinnert sich an die Idee einer "kulturellen Gesamtlösung" auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofs. Dort sollten Bergwerks- und Stadtmuseum wie auch Musik- und Volkshochschule ein neues Domizil erhalten. Das war dem Stadtrat zu teuer. An all die Rückschläge bis zur Eröffnung des neuen Campendonk-Museums im Jahr 2016 mag er gar nicht mehr denken. Populär war das Projekt nicht gerade. Was zähle, sei, dass letztlich eine sinnvolle, zukunftsfähige Lösung gefunden wurde.

Mit dem Zwillingsbau, den der Penzberger Architekt Thomas Grubert ersonnen hat, habe man nicht nur "überraschend viel Ausstellungsfläche" gewonnen, sagt Sendl, er sei in der Silhouette der Stadt ein Hingucker. Und dass die Fassade des Museums mit dunklen Klinkern verkleidet ist, sei ein Highlight. "Den Neubau ebenso zu verputzen und grau anzustreichen wie das alte Stadtmuseum würde keinen umhauen." Gerne besuche er das Haus, mit dem ihn seit vorigem Jahr ein neuer Aspekt verbindet. Sendl ist Vorsitzender der Kulturgemeinschaft Penzberg, die Vereine und Kulturprojekte unterstützt. Die Gemeinschaft hat den Einbau eines Campendonk-Glasfensters im Treppenhaus finanziert. Knapp 27 000 Besucher fanden im ersten Jahr den Weg in die Sammlung. Daran müsse man anknüpfen, meint Sendl. Das Museum jedenfalls sei ein wichtiger Standortfaktor.

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Quelle:
SZ vom 06.09.2017
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