Süddeutsche Zeitung

Starkbierfest in Geretsried:Isar-Brettln mit Barnabas

Lesezeit: 2 min

Der Fastenprediger nimmt die Nachbarstadt mit ihrer Surfwelle und dem Rathaus-Skandal aufs Korn. In Geretsried entdeckt er moderne Bunker und liebäugelt mit einer Kandidatur

Von Felicitas Amler, Geretsried

Wer braucht schon eine Surfwelle auf der Loisach, wenn er in Geretsried an der Isar aufgewachsen ist? Fastenprediger Barnabas alias Ludwig Schmid kann über das viel diskutierte und finanziell aus dem Ruder gelaufene Vorhaben in der Nachbarstadt nur lachen: "Sorry, liebe Wolfratshauser, das ist ein alter Hut. Sogar ich war als junger Bursch schon beim Isar-Brettln." Allenthalben zustimmendes Nicken im Geretsrieder Publikum: Einfach ein Holzbrett mit Seil an einem Baum am Ufer befestigen, aufs Wasser legen und lossurfen!

Der Geretsrieder Bäcker Schmid hat wieder an zwei Abenden, am Freitag und Samstag, das Starkbierfest der Gartenberger Bunkerblasmusik in den Ratsstuben mit einer Fastenpredigt begleitet. Volle Häuser sind ihm stets sicher, und außer Hunderten Bürgern haben sich am Samstag auch die sogenannten Honoratioren offenkundig köstlich amüsiert. Die Themen, zu denen Barnabas den Leuten die Leviten las, reichten von der zuverlässig wiederkehrenden S-Bahn - die eben nicht nach Geretsried kommt - über die Innenstadt-Umgestaltung bis zur Nachbarstadt, die bei diesem Anlass auch nie fehlen darf. Umso mehr, als Wolfratshausen dem Fastenprediger diesmal brandaktuellen Stoff lieferte. Der Skandal um unterschlagenes Geld im Bürgermeister-Vorzimmer und die Reaktion der örtlichen CSU auf diese "Stadtverwaltung ohne Kontrolle und Führung" (O-Ton CSU) hörte sich bei Barnabas so an: "Unser Wolfratshauser Bürgermeister Klaus Heilinglechner is net do. Is er mittlerweile von der CSU freiwillig zurückgetreten worden? Oder hat er was Unguats gessn? Vielleicht ja Wolfratshauser Kraut und Rüben?"

"Quasi Flachdachwürfel"

In der eigenen Stadt widmete sich der Fastenprediger hingebungsvoll den Neubauten und ihrem Investor Krämmel. Den Baustil nannte er "retro" und den Geretsriedern wohl vertraut: "Bunker." Oder: "Quasi Flachdachwürfel." Spitzgiebelhäuser hingegen seien "vom Aussterben bedroht", sagte Schmid und sinnierte unter dem begeisterten Applaus seiner Zuhörerschaft: "Wenn i mir des jetzt vorstell': Auf den siebenstöckigen Krämmelbau noch a Spitzgiebeldach drauf? Des werd dann scho verdammt hoch."

Krämmel musste noch einmal herhalten, im Zusammenhang mit einer Vorschau auf die Kommunalwahlen 2020. Barnabas kokettierte damit, selbst anzutreten: Für den Stadtrat? "Nix für mi." Als Bürgermeister? Gegen den Amtsinhaber? "Eigentlich braucht der koane Gegenkandidaten. Der Müller Michael ist ein guter Mann. Ein sehr guter. Äußerst zuverlässig. So hats ma der Krämmel erzählt." Johlende Begeisterung im Publikum.

Ein Feuerchen legte der Prediger im Geretsrieder Rathaus. Dort, so gab er sich eingeweiht, herrsche starke Fluktuation im Personal. Die altvertrauten Gesichter verließen das Haus, sagte er und rekurrierte mit einem "Achtung, Wortspiel!" namentlich auf die Geschäftsleiterin: Die Leute verschwänden - "oder wia ma auf guat Boarisch sagt: Die gengan in Raach auf." Sein Rat für den Bürgermeister: "Ruafts beim Donald Trump o, vielleicht baut er eich a Mauer ums Rathaus rum. Den Überwachungsturm hat der Krämmel ja scho baut."

Ein fürs Publikum erfreuliches Ende nimmt bei Barnabas der Katastrophenfall Schnee. Nachdem er sich ausführlich über alle Einsatzkräfte, die zum Räumen der Dächer teils von weit her kamen, ein- oder ausgelassen hat, sagt er wiederum unter starkem Beifall "a herzlichs Vergelts-Gott" und schlägt dem Bürgermeister vor, doch ein Dankeschön-Fest für sie alle auszurichten. "A bissl a Musi, was zum Tringa, was vom Grill", das sollte doch drin sein, meint der Bäcker und verspricht: "I mach jetz amoi den Anfang und sag: Die Semmeln für des Festl spendiert der Schmid-Bäck."

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SZ vom 01.04.2019
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