Süddeutsche Zeitung

Starkbieranstich:Frust mit dem Asylpflänzchen

Lesezeit: 3 min

Das "Stammwürze-Team" des Oberlandler Volkstheaters derbleckt in der Penzberger Stadthalle die Lokalprominenz. Der Geretsrieder Fastenprediger Barnabas schaut auf einen Gastauftritt vorbei

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Die Penzberger haben zu ihrer Bürgermeisterin ein, nun ja, angespanntes Verhältnis. Mitunter könnte man sogar von einer Hassliebe sprechen. Jedenfalls musste Elke Zehetner mal wieder einiges einstecken beim Starkbierfest in der Stadthalle. Als Clou hatte sich das "Stammwürze-Team" Verstärkung aus dem Nachbarlandkreis Bad Tölz-Wolfratshausen geholt. Dem Fastenprediger Servatius, alias Rainer Hofmann, sprang sein Geretsrieder Kollege Barnabas, gespielt von Ludwig Schmid, zur Seite. Er wollte sich nach dem Befinden von "unserm Elkelein" erkundigen, dem "zarten Geretsrieder Asylpflänzchen".

Es ist kein Geheimnis, dass Elke Zehetner aus Geretsried stammt. Vor langem habe sie "rüberg'macht", erzählt Bruder Servatius. Und jetzt ist sie da und will bleiben. "Pflegt ihr sie auch gut?", will Bruder Barnabas wissen. "Mei, so vui wia nötig ... so wenig wia möglich!", lautet die Antwort des Penzberger Fastenpredigers, und er fügt hinzu: "Und Geretsrieder sind ja historisch g'sehgn doch zäh und leidensfähig. Aber so a Frau mit ihren vielen verschiedenen selbstbewussten Persönlichkeiten ist leider auch pflegeresistent, verstehst?"

Genug davon. Es gibt noch einen anderen Aspekt, der Penzberg und Geretsried verbindet. Beide Städte sind die ungeliebten Stiefkinder ihrer Landkreise, obschon beide via Kreisumlage einen ordentlichen finanziellen Beitrag zu deren Haushalten beisteuern. Oder wie es Bruder Barnabas formulierte: "Schau, ihr Kohlenluckys und mia Flüchtlingsbarackler sind heute der Wirtschaftsmotor für unsere Landkreise. Wenn mia uns zusammentun würden, quasi Gebietsreform 2019, dann könnten mia die anderen ringsum alle aufkaufen."

Das Ergebnis: eine penzberg-geretsriederische Abspaltung à la Brexit. Einen Namen hätte das fusionierte Kind auch bereits: Geretsberg-Penzried mit Verwaltungssitz im Kloster Beuerberg, das so laut Barnabas eine richtige Nutzung bekäme. Der Geretsrieder Fastenprediger hatte eigens ein neues Wappen kreiert, das die Symbole beider Städte vereint. "Und wer uns ned taugt, den schmeißn mia naus. Den schiebn mia ab, nach Garmisch oder Starnberg", rief Barnabas in den Saal, ehe er sich mit folgenden Worten an Elke Zehetner verabschiedete: "Elke, mach dir koane Sorgen." Sollte es mit der Wiederwahl 2020 nichts mehr werden, "weilst alles a bisserl schwierig g'macht hast, dann schicken wir dich nach Wolfratshausen".

"Elkes Reste-Rampe"

An Themen fehlte es Bruder Servatius in seiner gut einstündigen Predigt nicht. Das Intermezzo des Wirtschaftsförderers, der keiner war, weil er als Pressesprecher in der Stadt auftrat, was er laut Ratsbeschluss nicht sollte, wurde ebenso ausgiebig derbleckt wie die hohe Fluktuation im Stadtrat, die Weigerung Zehetners, der SPD beizutreten, der Streit um das Seniorenheim an der Gartenstraße, die fingierte E-Mail aus dem Rathaus zum Hotel-Dialog oder der Personalschwund im Rathaus. "Wer sich amoi im Penzberger Rathaus umschaugt, den kann schon a so a Gfui beschleichen, dass er meint, dass er sich in einem Krisengebiet aufhält. Ganz egal, in welche Abteilung dass er neischaugt ... überall Rathausflüchtlinge." Damit nicht noch die letzten Mitarbeiter über "Elkes Reste-Rampe" abhauen würden, sei man versucht, den US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump zu bitten, "dass er ums Penzberger Rathaus a Mauer rumbaut".

Höhepunkt des Starkbier-Anstichs in Penzberg ist das Singspiel. Grandios wirbelten die Darsteller über die Bühne. Vor der Kulisse des Penzberger Bahnhofs rätselten Bauhof-Mitarbeiter (Stefan Köbler, Hannes Lenk, Markus Bocksberger und Andi Mummert), wie der Fahrkartenautomat mit Videoverbindung zu DB-Personal zu bedienen sei. Stadtkämmerer Hans Blank (Stefan Köbler) mühte sich ab, seiner Dienstherrin zu gefallen und das Bahnhofsgebäude doch noch der Abrissbirne zu überantworten. Markus Bocksberger, ehemals für die SPD als Parteifreier im Stadtrat, spielte sich selbst. Zur Melodie von Udo Jürgens' Schlager "Ein ehrenwertes Haus" sang er über die Zustände im Penzberger Rathaus. Sein Auftritt endete mit: "Wenn du mich fragst, diese Heuchelei halt ich nicht länger aus! Wir packen unsre sieben Sachen und ziehen fort aus diesem ehrenwerten Haus!"

Wie jedes Jahr brillierten Markus Bocksberger und Andi Mummert bei den Gesangseinlagen. Als Gag brachte das Stammwürze-Team des Oberlandler Volkstheaters ein altes Penzberger Original auf die Bühne: den Baitler Willy (Mike Wolff) mit seiner Quetschn. Furios ist Catrin Bocksberger als Elke Zehetner. In einem Tobsuchtsanfall verschmiert diese ein Wahlplakat ihres SPD-Herausforderers Andreas Vetter, der ebenfalls Bürgermeisterkandidat für die Kommunalwahl 2020 werden möchte. Wie ein Schachterldeifi springt Catrin Bocksberger auf der Bühne herum, malt Teufelshörner, Schnurrbart und allerlei mehr auf das Konterfei von Vetter. Dieser wird auf den Plakaten als "Erretter" tituliert. "Ha, das hat gut getan, das war schon lange überfällig", sagt Zehetner alias Bocksberger und streicht sich die Haare glatt. Sie hätte sich doch lieber von der CSU aufstellen lassen, sinniert sie. "Die hatten nie eigene gefährliche Gegenkandidaten und die SPD andauernd! Wie machen die das? Die Partei ist im Arsch und in Penzberg sprießen die Kandidaten wie Schwammerl aus dem Boden."

Was es noch zum Starkbierfest in der Stadthalle zu sagen gibt: drei ausverkaufte Vorstellungen, zünftige Musikanten - am Samstag mit Unterstützung von Ludwig Schmid und seiner Klarinette - und viele gute Mienen zum (fast) bösen Spiel. Oder wie sagte Bruder Servatius: "Penzberg hat Frust, Penzberg hat Durscht, bevor mia uns aufregn, is's uns liaber wurscht."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4371803
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.03.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.