Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl:Viele Stimmen, keine Posten

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Die Grünen haben bei der Kommunalwahl in Bad Tölz-Wiolfratshausen und der Region starke Ergebnisse eingefahren. Mit Bürgermeister-Ämtern wurden sie dafür aber nicht belohnt. Nun feilt die Partei an einer Strategie, damit das in sechs Jahren nicht noch einmal passiert.

Von Alexandra Vecchiato und Florian Zick

So nervtötend Buchführung auch sein kann, so erhellend sind manchmal die Ergebnisse. Die Grünen in der Region zum Beispiel haben mit einer kleinen Verschnaufpause nach der Kommunalwahl nun Kassensturz gemacht. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen hat die Ökopartei jetzt 57 Vertreter in den Rathäusern und im Kreistag sitzen - mehr als doppelt so viele wie nach der Wahl 2014. In Posten hat sich dieser massive Zugewinn an Stimmen trotzdem nicht niedergeschlagen. Die stellvertretenden Bürgermeister stellen in fast allen Kommunen auch weiterhin andere Fraktionen.

"Wir hätten da schon etwas mehr erwartet", sagt der stellvertretende Landrat Klaus Koch, der seinen Vize-Posten immerhin verteidigen konnte. "Wir hätten aber auch bei den Bürgermeistern gerne überall die Stellvertreter gestellt", sagt Koch. Doch außer in Wolfratshausen, wo Annette Heinloth nun Dritte Bürgermeisterin ist, sind die Ämter überall an den Grünen vorbei verteilt worden. In Geretsried, Bad Tölz oder anderswo - fast nirgends sind grüne Bürgermeisterkandidaten für ihr gutes Abschneiden auch mit einem Amt belohnt worden. Dabei wäre es schon sinnvoll gewesen, findet Koch, deren große Zahl an Wählern irgendwie auch in den Chefetagen der Rathäuser mit einzubinden.

In Bad Tölz beispielsweise hat Franz Mayer-Schwendner als Bürgermeisterkandidat der Grünen 27,9 Prozent der Stimmen geholt. Das ist zwar deutlich weniger als Wahlsieger Ingo Mehner (CSU), jedoch auch deutlich mehr als die beiden übrigen Kandidaten. Und trotzdem ist Mayer-Schwendner bei der Wahl zum stellvertretenden Bürgermeister durchgefallen. Da habe sich eine bürgerliche Koalition dann an die Macht geklammert, sagt Andreas Wild, der Vorsitzende des grünen Ortsverbands. CSU und Freie Wähler seien nicht bereit gewesen, "Vielfalt und Pluralismus auch abzubilden", so Wild.

Früher waren die Grünen im Tölzer Stadtrat nur zu zweit, jetzt haben sie sieben Mandate. Natürlich wäre es da schön gewesen, auch einen stellvertretenden Bürgermeister zu stellen, sagt Wild. Mit Blick auf die Bürgermeisterwahl in sechs Jahren wäre das durchaus wichtig gewesen. "Das wäre ein Sprungbrett gewesen", sagt Wild. Doch Rathauschef Mehner und der Dritte Bürgermeister Christof Botzenhart - so nett die beiden auch seien: "Die tragen das CSU-Logo in jedem Blutkörperchen", so Wild. Deshalb hätten sie sich mit Michael Lindmair jemanden aus Reihen der Freien Wähler an die Seite geholt und eben keinen Grünen. "Das ärgert einen schon", sagt Wild.

Bitter ist die Lage auch für die Penzberger Grünen im Nachbarlandkreis Weilheim-Schongau. Sie haben den Posten des Zweiten Bürgermeisters verloren. Zwar konnten sie im Stadtrat einen Sitz dazugewinnen und stellen nun vier Vertreter im Gremium, bei der Wahl der stellvertretenden Bürgermeister gingen sie allerdings leer aus. Kerstin Engel konnte sich in einer Stichwahl nicht gegen Hardi Lenk (SPD) durchsetzen, der nun Dritter Bürgermeister ist. Bei der Stadtratswahl im März hatte Engel knapp mehr als 6000 Stimmen geholt, Lenk nur gut 2900. "Schade", findet Engel ihr Abschneiden und spricht von einem Armutszeugnis der CSU. Die Christsozialen hatten ihr im entscheidenden Wahlgang die Unterstützung versagt. "Aber da sieht man auch, wie die CSU tickt." Die Grünen kurzzuhalten, das sei für sie ganz klar eine CSU-Order "von oben", sagt Engel. Das könne man in der gesamten Region beobachten. "Die CSU sieht die Grünen als Bedrohung - im Übrigen nicht zu Unrecht. Sie bekommt Angst vor uns."

Dass ein System hinter den regionsweiten Ausbootungen steckt, kann der Tölzer Vize-Landrat Klaus Koch nicht erkennen. Er glaubt vielmehr, dass es lokal jeweils unterschiedliche Gründe sind, warum den Grünen der große Aufstieg noch verwehrt geblieben ist. Aber so sei es nun eben die Aufgabe der Parteiführung in der Region, möglichst langfristig Personen aufzubauen, die dann das Gesicht der Partei sind. In den Sportvereinen, der Landwirtschaft und bei der Fridays-for-Future-Bewegung - überall gebe es herausstechende Persönlichkeiten, die den Grünen zugeneigt seien. Diese Leute müsse man nun so populär machen, dass man bei der Kommunalwahl in sechs Jahren gar nicht mehr um sie herumkommt.

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Quelle:
SZ vom 19.06.2020
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