Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:Werner will's wissen

Lesezeit: 3 min

SPD Geretsried stellt ein Programm und einen energischen Bürgermeisterkandidaten vor

Von Felicitas Amler, Geretsried

Wolfgang Werner hat eine neue Rolle gefunden - die eines kampfeslustigen Kandidaten. Die Geretsrieder SPD hat den 44-jährigen Finanzwirt am Mittwochabend in den Ratsstuben zu ihrem Bürgermeisterkandidaten gewählt. Und Werner tat vor und nach dieser einstimmigen Nominierung alles, um sich selbst und den anderen Siegesgewissheit zu suggerieren. Er wolle dieses Amt, er sei stolz, dafür anzutreten, er werde, wenn er erst im Rathaus sitze ..., so sprach er. Und schließlich mit gereckter Faust: "Packen wir's an!"

Der Mann, der seit 23 Jahren Mitglied der SPD ist, seit 2009 im Geretsrieder Stadtrat sitzt und seit der Kommunalwahl 2014 das Amt des Sportreferenten innehat, war im November eher überraschend vom SPD-Vorstand als prospektiver Bewerber ums Bürgermeisteramt präsentiert worden. Bis dahin waren ganz andere Stimmen aus der Partei zu hören gewesen: Man könne ja angesichts der desolaten Lage der SPD im Allgemeinen froh sein, wenn man überhaupt wieder auf sechs von 30 Stadtratssitzen kommen werde, und von einem Bürgermeisterkandidaten sei weit und breit nichts zu sehen.

Nun hat die Geretsrieder SPD alle Kräfte zusammengenommen und auch ein umfangreiches Wahlprogramm "für die nachhaltige Entwicklung einer zukunftsorientierten Stadtpolitik" vorgelegt. Motor war der im vorigen Jahr für den verstorbenen Walter Büttner in die Fraktion nachgerückte 31-jährige Jurist Michael Lasidis. Dieser habe einen Programmentwurf erstellt, berichtete der SPD-Vorsitzende Martin Bruckner, der dann immer wieder von einem zum anderen Vorstandsmitglied gereicht und ergänzt worden sei. Wesentliche Aspekte griff Werner in seiner Vorstellung vor der Nominierung heraus. So bekannte er sich zu einer "sozialen und gerechten" Entwicklung Geretsrieds mit Schwerpunkten wie Wohnbauförderung, einem Programm zur sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) und einem kostenlosen Stadtbus.

"Viele Erfolge erzielt"

Lasidis stellte das Programm dann gemeinsam mit Bruckner komplett vor. Es gliedert sich in Klimaschutz, Verkehr, Soziales, Bildung, Arbeit, Wohnen, Sport und Kultur. Mit Slogans wie "Uns bewegt, was euch bewegt" und "Wir bringen die Dinge in Bewegung" will die SPD folgende Ziele verfolgen: eine lebendige und lebenswerte Stadt, gleichwertige Lebensverhältnisse, die Stärkung des Wohn- und Wirtschaftsstandorts sowie der Sport- und Kulturstadt und schließlich den Klimaschutz vor Ort.

Die SPD schreibt sich einige Errungenschaften der laufenden Amtszeit des Stadtrats zugute, darunter die Anhebung der Gewerbesteuer, ohne die es "weder ein interkommunales Hallenbad noch eine Überdachung des Heinz-Schneider-Eisstadions geben könnte". Auch die Reduzierung des Schuldenstands und den Aufbau von Rücklagen verbucht die SPD unter den "vielen Erfolgen, die wir in den letzten sechs Jahren erreicht haben".

Im Programm findet sich der bereits im Stadtrat beantragte kostenlose Stadtbus, dessen Verwirklichung Bürgermeister Michael Müller (CSU) für unrealistisch erklärt hatte. Werner bezog sich nun auf Vorbilder anderer Kommunen wie Planegg, Pfaffenhofen an der Ilm und Augsburg und sagte: "Es gibt Möglichkeiten." Und die müsse es eben auch mit dem MVV geben.

Das SPD-Programm listet außerdem vielerlei bessere Bedingungen für Radfahrer, barrierefreie und umweltfreundliche Busse auf sowie einen Expressbus von Geretsried nach München als Interimslösung, bis der S-Bahnanschluss kommt - eine vom Linken-Bundestagsabgeordneten Andreas Wagner bereits verfolgte Forderung.

Zum Umweltteil des Programms gehört eine Bürger-Solaranlage, verbesserter Baumschutz, extensive Begrünung, die Aktualisierung des Lehrpfads im Stadtwald und der Vorrang des Stadtwalds als grüne Lunge gegenüber einer wirtschaftlichen Ausnutzung.

Azubi-Wohnungen

Mehr bezahlbare Wohnungen sollen nicht nur von der - dafür ausdrücklich gewürdigten - Baugenossenschaft Geretsried geschaffen werden, sondern auch von der Stadt selbst. Konkret schlägt die SPD einen Azubi-Wohnkomplex nach Münchner Vorbild und die Übernahme des "Dachauer Modells" für ein Einheimischen-Projekt mit Eigentumswohnungen vor. Dies sei etwa auf der Böhmwiese vorstellbar.

Die teils "prekäre" Situation (Bruckner) in der Geretsrieder Kinderbetreuung soll behoben werden. Und an der Schaffung neuer Plätze soll künftig auch die Stadt selbst beteiligt sein; bisher hat Geretsried nur Einrichtungen zur Kinderbetreuung in freier Trägerschaft. Auch eine kostenfreie Kita für Menschen, die sich das bestehende Angebot nicht leisten können, sei nötig.

Im Sport fordert die SPD die Erweiterung des Isarau-Stadions mit einem integrierten Jugendzentrum sowie ein "Sportstadion Süd". Das Festgelände vor dem Eisstadion soll modernisiert, der angrenzende ehemalige Bunker "als Mahnmal und Freilichtmuseum" genutzt werden. Kulturell brauche die Stadt wieder ein Kino und "moderne Lokale"; für beides sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Für das bereits geplante Bürgerhaus im Stadtteil Stein hält die SPD ein Backhaus für wünschenswert, dieses könnte gemeinschaftlich genutzt und so "ein zusätzlicher Anlaufpunkt" werden.

Als Lasidis den letzten Programmpunkt, die Organisation einer "Langen Nacht der Kultur" vorstellte, in der Museen geöffnet sind, rief ein Teilnehmer der Versammlung leise dazwischen: "Wo soll das denn sein?" Denn tatsächlich hat Geretsried nur ein Museum. Im Programm wird unter diesem Punkt auf "Führungen durch Bunkeranlagen, Kirchen etc." verwiesen.

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SZ vom 10.01.2020
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